Mein Stahl ist nicht leblos, sondern voller Leben.

Er spricht und korrespondiert mit mir und reagiert auf mich und seine Umgebung.
Mit allen Kräften setzt er sich mir entgegen, bleibt zäh und widerspenstig und speichert die Kraft, die ich aufwenden muß, um ihn dennoch zu formen.
Er quietscht wie ein Kind und lärmt wie ganze Menschenmassen, er dröhnt und donnert wie Wotan, wie Zeus.
Das Spektrum seiner Klänge ist größer als der tonale Umfang der Stimmlage jedes anderen Sängers.
Er fließt als lebenswichtiger Stoff, als Eisen in meinem Körper.
Auf meinen Schweiß reagiert er mit Rosten.
Mit jeder neuen Oberflächenschicht und Anwitterung erzählt er Geschichten - von dem über ihn hingezogenen Wetter, erzählt bisweilen auch, welche Schläge, Tritte und Verletzungen er erfahren hat.
Manches alte Blech berichtet von seiner Reise durch die Zeit, von Anstrichen und Übermalungen, den verschiedenen Zwecken, denen es schon gedient haben mag - was es wohl alles gesehen und erlebt hat.

Stahl lebt, wird älter, zerfällt vielleicht irgendwann, wenn er sein Leben erfüllt hat, wie wir, wie ich.
Er ist elastisch und zäh, manchmal auch spröde, federnd oder hart - so wie auch die Menschen unterschiedlich zueinander sind.
Im Sommer ist er heißer als Holz, im Winter kälter als Eis.
Er dehnt und streckt sich wie der Sonnenanbeter in der Wärme und er zieht sich zusammen, wenn es kalt wird - wie eine Katze.
Er hält nahezu alle Bauten zusammen, überspannt Täler und Meere, hilft als vielgesichtiges Werkzeug und Handerweiterung zu arbeiten, zu heilen, zu essen, zu pflegen.
In Form unterschiedlichster Fahrzeuge bringt er mich durch die Welt - von den tiefsten Meere bis in die Weiten des Raums.

Im Zentrum unseres Planeten hält er ihn zusammen und die ganze Erde im Zusammenhalt im Planetensystem.

Andreas Helmling, 24.10.2005