Bettina Kresslein
Herbert Heckmann

"Die Künste können mit Wein umgehen"

Worte zur Ausstellungseröffnung (Nordheim, 13.04.03):

"Wie die Weisheit nicht mit einem einzigen Sprung ins Brautbett der Nachdenklichkeit zu gewinnen ist, sondern vieler Geduld und Zärtlichkeit und Wachheit bedarf, so will es auch der Wein".


Direktor Dr. Bernd Goldmann (Internationales Künstlerhaus Bamberg, Villa Concordia)

Kunst und Wein
Wein und Kunst
Ein altes und doch immer wieder neues Thema

Divino - aufs Banner geschrieben

Hervorragende Produkte
Gleichwertiges zur Seite
Kunst keine Dekoration

Thema das besticht?
Landschaft vom Wein
Und Menschen in Posen und Haltungen

Kraftvolle Malerei
Mutig gesetzte Farben
Rot und Schwarz
Weiß und Gelb
Vorsichtig Blau

Formen, die in ihrer Gegenständlichkeit abstrakt
Formen, die in der Betonung durch den kräftigen Strich von der Fläche in den Raum führen
Formen, die aus einer genauen Beobachtung erwachsen

Schnelles Erfassen, schnelles Umsetzen mit dem Stift und dem Pinsel

Stellt weibliche Reize offensiv zur Schau

Ausschnitt - interessanter Ausschnitt
Ausschnitt hebt die Ironie, die der Titel verstärkt

Menschen bestimmen das Bild, obwohl sie am Rande und rudimentär vorhanden und daherkommen

Der Betrachter wird zur Ergänzung gezwungen

Auf Hände achten

Sagen, was man sieht auf den Bildern
Landschaft, statt Rot tiefes Grün, ohne Menschen, fruchtbar und üppig

Skizzen auf Reisen (Frankreich/Italien)

Typen aus dem Abbild gewonnen und umgesetzt
Gesichter, wenn sie überhaupt da sind, vermitteln Individualität, die nicht da ist
Typen - man meint man kennt sie

Humor

Sinnlichkeit und Genuss


Dr. Brigitte Baumstark (Kunstsammlung Städtische Kunstgalerie Karlsruhe, 2002)

Expressive Farbigkeit, eine lockere Pinselschrift, die für rasches Arbeiten steht, und der ausschnitthafte Blick auf eine Szene charakterisieren die neuesten Werke der Malerin Bettina Kresslein. Im Mittelpunkt ihres Werkes steht die Darstellung des Menschen in den verschiedensten Situationen seines alltäglichen Lebens. In der Regel arbeitet die Künstlerin in Serien, die sich nicht nur inhaltlich, sondern auch formal und in der Farbwahl entsprechen.

Bei der Durchsicht ihrer neuesten Arbeiten fällt auf, dass Frauen das Bildfeld beherrschen. Es sind in ihrer Erscheinung sehr feminine Frauen, die ihre weiblichen Reize selbstbewusst zur Schau stellen. Sie tragen enge, figurbetonte Kleider mit weiten Ausschnitten. Die rot lackierten Nägel korrespondieren zu rot betonten, üppigen Lippen und der ebenfalls häufig roten Mähne. Doch es geht Bettina Kresslein nicht darum, ihre Frauen einer gängigen Modeschönheit zu unterwerfen, sondern sie sucht die Eigenarten des jeweiligen Typus, die sie bis ins Karikierende gesteigert herausarbeitet.

Mit augenzwinkerndem Humor und tiefem Einverständnis überzeichnet sie die Frauen und stellt sie zuweilen in exaltierten Haltungen dar. Ein wesentliches Stilmittel der Malerin ist die Nahsichtigkeit, die dazu führt, dass die Figuren vom Rand des Bildfeldes überschnitten werden. Das heißt, meist ist allein ihr Oberkörper, der Hals, der Kopf bis zur Nasenspitze und eine Hand wiedergegeben. Die Figuren können die gesamte Bildfläche einnehmen, immer wieder werden sie an den Rand gedrängt, aber sie bestimmen auch dann noch die Fläche mit ihrer selbstverständlichen Präsenz. Die Fokussierung des Blickes auf die Figur hat zur Folge, dass der Umraum völlig zurücktritt und allein als weiße, rote oder schwarze Fläche angelegt wird.

Zu den grundlegenden Inhalten, mit denen sich Bettina Kresslein seit langem beschäftigt, gehört das Thema "Essen und Trinken". In diesem Themenkomplex verarbeitet die Künstlerin Szenen, die sie auf ihren zahlreichen Reisen, vor allem in Frankreich und in Italien beobachten konnte. Immer führt sie ein Skizzenbuch mit sich, in dem sie verschiedene Situationen festhält. Im Atelier setzt sie die gezeichneten "Erinnerungen" in Bilder um. Doch meist ist ein Thema nicht mit einer Arbeit abgeschlossen, sondern die Künstlerin nimmt es zum Anlass, dieses zu umkreisen und in mehreren Arbeiten auszuloten. So entstehen Serien zum Beispiel zu "France" oder "Cenacolo". Grundelemente sind der Tisch, auf dem Speisen, Früchte und Geschirr stilllebenhaft stehen, und der "Gourmet", der immer alleine bleibt.

In der Serie "France I-III" ist immer derselbe gedeckte Tisch mit den typisch französischen Snacks wie dem Salami-Sandwich und der Tasse Kaffee als Grundkonstante wiedergegeben. Zunächst placiert die Malerin eine Frau an dem Tisch, im folgenden Bild bleibt dieser unbesetzt und dritten sitzt dort ein Mann. Fast könnte es sich um drei Stills aus einem Film handeln. Die Frau nimmt die linke Seite des Tisches ein. Zu sehen ist der Oberkörper, der Kopf bis zum unteren Nasenansatz und ihre rechte, in den Raum greifende Hand. Sie trägt ein schwarzes, tief dekolletiertes Kleid, das farblich stark zum Rosaton der Haut kontrastiert. Das leuchtende Rot der Haare, der Lippen und der Fingernägel setzt farbliche Akzente und unterstreicht die weiblichen Reize.

Während die Frau möglichst wenig Platz am Tisch beansprucht und von der Ecke des Tisches nahezu aufgespießt wird, nimmt der Mann die obere Tischkante ein und besetzt so seinen Platz im Bild. Der massige Oberkörper in weiß und schwarz wird nicht näher definiert. Sein Gesicht ist sichtbar, wird aber von einer Sonnenbrille verdeckt. Durch die gegenläufige Anordnung der Hauptdiagonalen wird die Zusammengehörigkeit der beiden Gemälde unterstrichen.

Die stilllebenhaft angeordneten Speisen und Früchte, die auch zum alleinigen Bildthema werden können, sind im malerischen Vortrag und in ihrer Anordnung im Gesamten sehr reizvoll. Inhaltlich beziehen sie sich nicht mehr auf die "Vanitas"- und "memento mori"-Gedanken, wie sie auf den niederländischen Stilleben des 17. Jahrhunderts dargestellt werden. Vielmehr dienen die Zitrone oder Artischocke dazu, einen Hinweis auf ein Land oder eine Region zu geben, in dem die Szene beobachtet wurde.

Ging es in der Serie "France" eher um die Darstellung von Rollen und Typen - wird in der Serie "Gourmette" das neue Selbstbewusstsein der Frau thematisiert und gleichzeitig der direkte Zusammenhang von Essen und Sinnlichkeit hergestellt. Wie in der lateinischen Tradition das Wort "homme" die Gleichsetzung von Mann und Mensch bedeutet und keine weibliche Form existiert, gibt es auch für den "Gourmet", keine weibliche Formulierung.

Deshalb stellt ihm die Künstlerin augenzwinkernd die von ihr kreierte "Gourmette" zur Seite, die sich durch ihre körperliche Präsenz und ihre erotische Ausstrahlung auszeichnet. Auch sie ist nahsichtig und ausschnitthaft wiedergegeben, so dass die Speisen und der üppige, rot geschminkte Mund in ein direktes Verhältnis gebracht werden. Thema ist hier die Sinnlichkeit des Essens, die Hingabe an den Genuss. Doch das geradezu intime Verhältnis zu den Speisen und Getränken lässt keine Geselligkeit zu. Die Künstlerin steigert die erotische Stimmung durch ihre entschiedene Farbwahl. Glühendes, feuriges Rot und tiefgründiges, nächtliches Schwarz steigern sich gegenseitig.