Kulturzentrum Herrenhof Mußbach / Herrenhof Mußbach
Alexandra Deutsch - Objekte aus geschöpftem Papier
06.03.05 bis 27.03.06

Vernissage am 06.03.05 um 11.00 Uhr
Begrüßung: Gustav-Adolf Bähr, Vorsitzender der Fördergemeinschaft Herrenhof Mußbach
Einführung: Andreas Greulich, Kunsthistoriker und freier Kurator (Wiesbaden)

Das Auge folgt lebendigen Strukturen, Schicht um Schicht, gleitet den Windungen gerippter Oberflächen entlang, die sich rhythmisch wiederholen, dringt durch Öffnungen und Bruchstellen in geheimnisvolle Tiefen ein. Eine andere, bisher nicht gekannte Welt tut sich auf.

Fremd und vertraut zugleich erscheinen Alexandra Deutschs Objekte, erinnern an einfache Organismen, an Pflanzen, Insekten, Meerestiere und sind doch ganz anders, nicht einzuordnen. Bei aller wesenhaften Anmutung sind sie abstrakt und sprechen eine eigenständige, künstlerische Sprache. Die Formen wirken organisch wie gewachsen und scheinen nach vielen Entwicklungen und Wandlungen gereift. Das hängt mit einem langen Entstehungsprozess zusammen, in dem sich Farb- und Formideen in andauernder Zwiesprache mit dem Material verdichten.

Papier ist der Stoff ihrer künstlerischen Träume, ihm hat sie sich ganz verschrieben. Flexibel, gestaltreich und dennoch stabil ist es ein äußerst formbares Material. Als plastische Grundmasse verwendet Alexandra Deutsch flüssigen Papierpulp und schöpft ihre Papier relativ dick, so dass sie trotz ihrer Verletzlichkeit einen gewissen Widerstand ausdrücken. Die Technik des Schöpfens, die sie seit dem Studium beherscht und immer mehr verfeinert hat, bildet die handwerkliche Basis ihrer Kunst. "Zellstoff einweichen, kleinreißen, durchmixen, in die Bütte schütten, schöpfen, pressen, von den Tüchern nehmen, übereinander legen, überlappen lassen, zusammendrücken", so hat sie es selbst anschaulich beschrieben.

Die stärkste Kraft geht von der tiefsitzenden, vibrierenden Farbigkeit aus. Sie ergibt sich aus dem künstlerischen Verfahren, das sehr saugfähige Papier mit flüssiger Beize zu tränken und einzufärben. Schwach gebundene Pigmente bringen zuletzt die Materie zum Leuchten.

Als Malerin ist sie zur plastischen Gestaltung gekommen, das sieht man ihren Objekten an. Sie leben zuerst aus der Farbe und ihrem emotionalen Ausdruck. Energievolles Rot und Orange strahlen Sinnlichkeit und Glut aus, konträr dazu wirkt die dunkle Magie des stumpfen, tiefen Schwarz. Starke Farbkontraste sind charakteristisch und kommen spannungsvoll zur Geltung - innerhalb einer Form oder einer zweiteiligen Paarform. In jüngster Zeit verändern sich die Farben und werden reduzierter. Dunklere, erdhafte Töne treten hervor in monochromer Gestaltung. Diese Tendenz zur Vereinfachung spiegelt sich auf formaler Ebene in der Reduktion auf Grundformen wie Kreis, Oval, Dreieck, Spirale.

Einfache Formen faszinieren durch differenzierte, plastische Reize, durch modellierte und grafisch strukturierte Oberflächen. Lineare Stege von Lammelenobjekte, von beiden Seiten bemalt, entfalten changierende Hell-Dunkel-Effekte, welche die Flächen dynamisch aufbrechen. Das vibrierende Farbenspiel steigert die räumliche Wahrnehmung und die Objekte zeigen vielfältige Ansichten. Im Dialog zwischen Fläche, Linie und Raum werden die Grenzen der Medien fließend.

Die Arbeiten expandieren und erobern immer stärker den Raum. Sie besetzen neben den Wänden auch den Boden und die Decke, einzeln oder in Gruppen. Variable Grundelemente in verschiedenen Größen sind auf potentielles Wachstum hin ausgerichtet und so flexibel gestaltet, dass sie sich jeder Raumsituation anpassen, den Raum geradezu überwuchern können.

Wachstum und Wandel gehören zu den grundsätzlichen Themen. Ein anderer zentraler Aspekt ist die Polarität. Volumen und Leere, Innenraum und Außenraum, Licht und Dunkelheit, Farbe und Nichtfarbe sind als Gegensatzpaare durchgängig präsent. Die Zweipoligkeit erscheint als Phänomen, das sich durch die ganze Arbeit zieht. Sie in harmonischer Einheit zu binden, wird künstlerisches Ziel.

Alexandra Deutsch hat es einmal im Gespräch klar formuliert: "Ich suche in der Kunst eine Schönheit, die Gegensätze in sich vereint, eine Schönheit, die Brüche hat und darauf verweist, das sie vergänglich ist".



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