Kunstverein Germersheim / Zeughaus Germersheim
Barbara Adamek, Martin Schöneich und Ulrich J. Wolff
Objekte, Skulptur, Radierung
30.08.08 bis 28.09.08
Barbara Adamek
Barbara Adamek: "Inari"

Barbara Adamek

"Barbara Adamek hat sich bereits vor 20 Jahren von der traditionellen Malerei verabschiedet. Gleichwohl ist sie ganz und gar Malerin geblieben, hat jedoch Strategien entwickelt, der Malerei die dritte und, - im angedeuteten Sinn - vierte Dimension zu erschließen. Diese operieren nicht mit innerbildlichen Illusionen und auch nicht mit einer plastisch-haptischen Ausweitung des Malmaterials, sondern gehen von Materialwahl und Gestaltung des Bildträgers aus. Barbara Adamek erweitert das zweidimensionale Tafelbild zum raumgreifenden Objekt. An die Stelle der Leinwand tritt zunächst Holz, später Edelstahl und Plexiglas. Beide Materialien fungieren nun nicht mehr als mehr oder weniger neutrale Bild-"Träger", sondern werden aufgrund ihrer transparenten und reflektierenden Materialität selbst zum Bestandteil des Bildes... Dabei entwickelt die Farbe ein Eigenleben, das aus streng konstruktiver Anlage informelle Übergänge und Durchdringungen entstehen lässt, sodass Rationales ins Inkommensurable mutiert und im Akt der Wahrnehmung neue Bildwelten entstehen. Wahrnehmung wird thematisiert, hinterfragt, Gewohntes in Frage gestellt, imaginäre Räume tun sich auf, insbesondere dann, wenn – im Falzbereich des wie bei einem aufgeschlagenen Buch gewinkelten Metalls - nicht Farbe, sondern leuchtende Leere aufscheint."
(Auszug aus Hans Gercke, Zwischenräume aus Licht und Farbe, in: Barbara Adamek Übertragung, Bildobjekte von 1997 - 2006; Hrsg. Heidelberger Kunstverein und Stadtmuseum Siegburg, Kleve 2006)


Martin Schöneich

Von Anfang an hat Martin Schöneich fertige oder gar dogmatische Aussagen in seinem Werk verweigert. Es dominiert das Bewusst-Unabgeschlossene, das die gewohnte Orientierung Sprengende, das sich bildhauerisch keinen "Archimedischen Punkt" mehr gestattet, sondern einem pluralitätsbezogenen Denken und Gestalten den Vorrang gibt.
Kombinationen aus (überrostetem) Eisen, so wie bemalte Holzelemente, treffen häufig aufeinander. Sie scheinen in einem Stadium des Sich-Verbinden-Wollens begriffen zu sein - und finden dennoch nicht zur erwarteten Synthese. Sie bleiben in einem raffinierten dialektischen Schwebezustand, spielen dem Betrachter entweder ein perfektes "als-ob" oder ein nicht weniger ausgeklügeltes "sowohl-als-auch" vor.
Anders gewendet: dieser Künstler hat schon seit langem das Credo einer auf Einheit zielenden Moderne hinter sich gelassen, tendiert stetig und ständig zu einer prozessualen Destabilisierung, die rein gar nichts mit möglichen destruktiven Ansätzen gemein hat. Das heißt, Martin Schöneich bringt das Unveränderlich-Scheinende zum "Flottieren", betont in seiner Negierung klassischer Ordnungsvorstellungen eher das Unbestimmte, Dezentrierte oder Regelwidrige in der Darstellung seiner komplexen Kompositionen, die bisweilen an bizarre, widerständige Architekturen erinnern können.

Dadurch, dass unterschiedliche autonome Formen miteinander in Kontakt treten, wird allerdings kein neuer, eindeutiger Sinn postuliert, vielmehr eine "Zerstreuung" oder "Verschiebung" des Sinns, der gewissermaßen in verschiedenen Bahnen verläuft - nie eindimensional in Erscheinung tritt.
(Auszug aus einer Ausstellungsrede von Dr. Matthias Brück )


Ulrich J. Wolff

1955
- geb. in Schwaigern
- Studium der Malerei und Grafik an der Staatlichen Akademie der Bildenden Künste Karlsruhe, Meisterschüler
- Lehrer für Radierung und Siebdruck an der Kunstakademie Karlsruhe
- Mitglied im Künstlerbund Baden-Württemberg
- Heinrich von Zügel Kunstpreis 2000 der Stadt Wörth am Rhein
- Kunst Forum Forst Kunstpreis 2004
- Karlheinz Knoedler-Preis 2006

Einführung von Prof. Hans Gercke

Lassen Sie mich mit ein paar allgemeinen Bemerkungen beginnen: Es gibt verschiedene Ausstellungstypen, von denen jeder seinen eigenen Charakter und seine eigene Dynamik hat. Da ist z.B. die Einzelausstellung. Sie konzentriert sich, wie schon der Name verrät, auf das Schaffen einer einzigen Künstlerpersönlichkeit. Man wird Ähnlichkeiten und Verschiedenheit innerhalb eines Oeuvres feststellen können, eine verbindende Handschrift, vielleicht aber auch eine große Spannweite unterschiedlicher Ansätze, so dass es im Extremfall schwer fallen könnte, alle Arbeiten als Schöpfungen ein und desselben Künstlers zu erkennen. Oder es wird eine chronologische Entwicklung sichtbar, vor allem dann, wenn es sich um eine Retrospektive handelt, die verschiedene Epochen im Schaffen eines Künstlers einander gegenüberstellt.

In einer Gruppenausstellung wird naturgemäß das Spektrum breiter und bunter ausfallen, dennoch wird man auch hier im Vergleich Ähnlichkeiten und Verschiedenheiten ausmachen, auf Grund derer das Gesehene womöglich zu je nach Blickwinkel und Fragestellung unterschiedlichen Untergruppen aufgegliedert und zusammengefasst werden kann.

Um uns zu orientieren dient uns, nicht nur in der Kunst, sondern ganz allgemein, überall und unabdingbar, das Vergleichen. Dabei vergleichen wir nicht nur, was wir sehen und erleben, sondern dieses immer auch mit dem, was wir schon kennen, was wir erlebt und gesehen haben, woran wir uns erinnern. Erst diese Programmierung unserer Festplatte ermöglicht es, uns in der Welt zurecht zu finden. Beim Betrachten von Kunst vergleichen wir diese unwillkürlich mit der Natur - wenn wir z.B. eine waagerechte Linie sehen, denken wir an einen Horizont, sehen wir eine blaue Fläche, so erinnert uns diese an Himmel, Sommer, Süden, Urlaub und Meer. Wir vergleichen aber auch Kunstwerke miteinander, und es kann sein, dass uns etwas vertraut erscheint, was uns in der Regel sympathisch ist, allenfalls wenn es uns allzu bekannt vorkommt, werden wir möglicherweise gelangweilt abwinken: Déjà vu - nichts Neues, welch eine Zumutung, wofür hält man uns eigentlich ...

Wenn uns hingegen etwas fremd vorkommt, weil wir noch nie Derartiges gesehen haben, kann unsere Reaktion, je nach Mentalität, Erwartung und Vorbildung, sehr verschieden ausfallen. Es kann sein, dass wir das uns Zugemutete irritiert oder empört ablehnen, weil es unseren Sehgewohnheiten nicht entspricht oder weil wir es nicht einordnen können, uns diese Unfähigkeit jedoch nicht eingestehen möchten. Oder aber, im Gegenteil, wir freuen uns über diesen vielleicht unerwarteten Zugewinn an Erfahrung.

Was nicht heißt, dass wir unkritisch sein sollten. Denn natürlich dient uns die Methode des Vergleichens immer auch als Instrument der Bewertung: Diese Arbeit ist oder erscheint uns besser als jene, irgendwie vielleicht intensiver, stimmiger, konsequenter oder auch innovativer - es wird nicht immer leicht sein, unser Urteil zu begründen, subjektive Aspekte spielen bei der Bewertung ebenso eine Rolle wie nachvollziehbar objektive. Allerdings sollte man vorsichtig sein, sollte nicht Äpfel mit Birnen vergleichen und sich vor Vorurteilen hüten. Man sollte schon viel gesehen haben, bevor man es riskiert, zu urteilen.

Vergleichen ist gleichwohl eine der wichtigsten Methoden im Umgang mit Kunst. Kunsthistoriker vergleichen, um Arbeiten zuzuordnen und Autoren zu ermitteln, Kunstkritiker und Kunstsammler, um Qualität zu bemessen. Doch es gibt noch einen zweiten methodischer Ansatz. Er ist für jeden, der sich mit Kunst beschäftigt, unabdingbar, und zwar vor dem Vergleichen, für das er erst eigentlich die Grundlage bildet.

Es klingt banal, ist aber alles andere als selbstverständlich: Man sollte zuerst einmal hinsehen. Bekanntlich sieht man nur, was man weiß, denn Sehen ist nicht einfach angeboren, sondern will, wie Sprechen, Lesen und Schreiben, gelernt und geübt sein. In der kunsthistorischen Ausbildung und Praxis wird solches Üben realisiert im Vorgang des Beschreibens, und ich kann nur jedem empfehlen, dies zumindest hin und wieder einmal zu probieren. Man wird erstaunt sein, auf wie viele bis dahin unbemerkte, ungesehene und unbeachtete Details man aufmerksam wird, wenn man sich erst einmal die Mühe macht, etwas sorgfältig zu beschreiben.

Was nun aber unsere eingangs erwähnten Ausstellungstypen betrifft, so möchte ich jetzt nicht auf den Sonderfall der Zweierausstellung eingehen, die zwischen Einzel- und Gruppenausstellung als ein spezifisch dialogisch bestimmtes Konstrukt mit ganz eigenen Gesetzmäßigkeiten und Anmutungen angesiedelt ist, sondern Ihr Augenmerk auf die Eigenarten einer Dreierpräsentation lenken, wie wir sie hier vor uns haben. Tres faciunt collegium, sagt der Lateiner, drei bilden eine Gruppe, das heißt also, wir haben es hier mit der kleinstmöglichen und damit wiederum einer sehr speziellen Ausprägung des Typus Gruppenausstellung zu tun.

Das Vergleichen, das Registrieren von Gegensätzen und Gemeinsamkeiten, kann hier, da wir es mit lediglich drei Positionen zu tun haben, auf besonders intensive und effiziente Weise geübt werden. Anders als in größeren Gruppenausstellungen gibt es hier keine Untergruppen, allenfalls können jeweils zwei Positionen gegenüber einer dritten als mit einander enger verwandt oder aber stärker verschieden erlebt werden, wobei sich im Versuch der Zuordnung je nach Aspekt und Fragestellung immer neue und sehr verschiedene Konstellationen ergeben.

Denn eine gute Ausstellung wird immer wie ein Gespräch sein, das ja auch nur dann sinnvoll und ergiebig ist, wenn es Gemeinsamkeiten ebenso wie Unterschiede umfasst. Eine gute Ausstellung wird Möglichkeiten des Gesprächs schaffen - des Gesprächs der Exponate miteinander, der Exponate mit dem Betrachter und nicht zuletzt auch der Exponate mit dem Raum. Dieser spielt hier, im historischen Ambiente des Germersheimer Zeughauses, natürlich eine ganz besondere Rolle. Er ist kein neutraler "White Cube", sondern er spricht kraftvoll mit, fordert zum Dialog geradezu heraus. Musikalisch gesprochen ist er so etwas wie der Generalbass, auf den sich die drei unterschiedlichen Melodiestimmen der hier gezeigten Werkkomplexe beziehen.

Die drei Melodien, um im Bild zu bleiben, sind von einander grundverschieden, und doch nehmen sie thematisch und formal auf einander Bezug im Rahmen einer großen, umfassenden Komposition. Ich will nicht so weit gehen, die Ausstellung als Gesamtkunstwerk zu bezeichnen, obwohl die Arbeit des Kurators - hier der Kuratorin - immer auch eine künstlerische ist. Dieser Tage las ich in der Süddeutschen Zeitung in einem Text über den Nachlass des verstorbenen Harald Szeemann zum Amt des Kurators, des Ausstellungsmachers, was ich Ihnen hier nicht vorenthalten möchte:

"Im alten Rom waren die curatores Bürokraten, die sich um Aquädukte oder sanitäre Anlagen zu kümmern hatten. Im Mittelalter waren curatores fürs Seelenheil in den Klöstern zuständig. Der heutige Kurator ist sowohl Bürokrat als auch Priester: Er muss Museen, Biennalen oder Festivals, ich füge hinzu, auch Stadtverwaltungen und vielen anderen Institutionen seine Ideen vermitteln, Geld besorgen und gleichzeitig die Künstler umhegen und ihre Werke strahlen lassen"1 - an dieser Stelle, so denke ich, ist ein Zwischenapplaus für die Kuratorin dieser Ausstellung, Frau Mattheck, angebracht - vielen Dank.

Denn: Die Werke der Künstler strahlen lassen - ich denke, das ist hier gelungen. Natürlich hat die Kuratorin nicht gewürfelt, als sie sich für diese und nicht irgend eine andere Zusammenstellung entschied. Sie hat ihre Einladung aufgrund von Kenntnissen über Ähnlichkeiten und Verschiedenheiten der beteiligten Künstler getroffen, die eine interessante, spannende, dialogische Ausstellung erwarten ließen. Die Künstler haben sich auf diesen Dialog eingelassen, und alle, so meine ich, waren gut beraten, nicht aus der Dreierausstellung eine Folge von separierten Einzelpräsentationen zu machen, was ja durchaus möglich gewesen wäre, sondern die einzelnen Positionen in mehrfacher Hinsicht miteinander zu vernetzen, zu einander in Beziehung zu setzen.

Die vorgegebenen Räumlichkeiten sind unter anderem dadurch charakterisiert, dass sich eine Art Straße ergibt, ein Parcours, der in der gottlob nicht durch Stellwände verstellten Mittelachse einen großzügigen Weitblick ermöglicht, der dann aber rechts und links in Einzelkabinetten zum Verweilen und zur Vertiefung der gewonnenen Einsichten einlädt. Machen Sie selbst Ihre Entdeckungen, in welcher Weise die ausgestellten Arbeiten miteinander kommunizieren. Lediglich ein paar einführende Hinweise möchte ich Ihnen geben, ohne Ihnen die persönliche Erforschung des Terrains abzunehmen.

Im Eingangsbereich werden Ihnen die drei Künstlerpersönlichkeiten vorgestellt - bewusst mit kleineren Werken, ein diskreter Hinweis darauf, dass hier auch Arbeiten erworben werden können, was gleichermaßen erfreulich sein kann für die Künstler, den Kunstverein und für Sie.

Natürlich sind alle drei Künstler Individuen, und man sollte nicht den Fehler begehen, ihre Arbeiten vorschnell in irgendwelche Schubladen einzuordnen. Gleichwohl stehen sie, schon der Titel deutet es an, in dieser Ausstellung, allerdings auf jeweils sehr individuelle Weise, exemplarisch für verschiedene klassische Techniken und Kunstgattungen. Konkret haben wir es mit den Gattungen Malerei, Plastik und Druckgrafik zu tun, freilich, wie gesagt, in jeweils sehr spezieller Ausprägung. Im Mittelpunkt, ganz wörtlich gemeint, nämlich in der Mittelachse aufgereiht, genauer gesagt, rechts und links von ihr angeordnet, finden Sie die plastischen Objekte von Martin Schöneich. Man kann sie der ungegenständlichen, der konkreten bzw. konstruktiven Kunst zuordnen, doch ist damit wenig ausgesagt über ihren spezifischen Charakter und die ihnen innewohnende Dynamik.

Annette Reich beschreibt im Katalog einer Ausstellung des Kunstvereins Zweibrückens Schöneichs Arbeitsweise wie folgt: "In seinen abstrakten Zeichen, die entweder auf Sockeln platziert oder als Bodenplastiken im Innen- und Außenraum realisiert sind, setzt sich Martin Schöneich mit dem Thema Raum auseinander. (...) Schöneich geht von geometrischen Formen aus, die er transformiert und in neue Zusammenhänge stellt. Dabei wird sein ausgeprägtes Interesse für Gegensätze sichtbar."2

Und sie zitiert den Künstler selbst, der von sich sagt: "Mich faszinieren Gegensatzpaare wie z.B. die runde und die eckige Form oder, auf meine Arbeitsweise bezogen, das Konstruieren und das Dekonstruieren. In diesem Zusammenhang habe ich mich mit dem französischen Philosophen Jacques Derrida und seinem Konzept der Dekonstruktion beschäftigt und mich mit moderner Architektur auseinandergesetzt."

Martin Schöneich ist 1955 in Grünstadt geboren, hat in München Bildhauerei studiert und ist seit 1985 als freischaffender Bildhauer und Grafiker tätig. In seinen frühen Arbeiten hat er bevorzugt Metall und Stein bzw. Metall und Holz kombiniert, seit 2001 verwendet er vorwiegend Holz oder, insbesondere für Außenarbeiten, Stahl. Die Holzarbeiten, wie wir sie hier sehen, sind in schwarz, weiß oder rot gefasst und geben ihren Materialcharakter allenfalls bei sehr genauer Betrachtung zu erkennen. Sie wirken eher wie lackierter Stahl, bestehen aber aus schichtverleimtem Hartholz, das die Eigenschaft besitzt, sich nicht zu verziehen. Schon vor seinem Studium der Bildhauerei und Grafik verstand es Schöneich, mit solchen Materialien umzugehen: In den siebziger Jahren absolvierte er eine Lehre als Modellschreiner.

Schöneichs Arbeiten haben also nichts zu tun mit jener Gruppe von Künstlern - ich nenne so verschiedene wie Baselitz, Lüppertz, Rennertz, Balkenhol oder Wachter -, die mit der Kettensäge das Holz traktieren und sich dabei mit den elementaren Eigenschaften des Baumes auseinandersetzen. Ihm geht es nicht um das Material, sondern allein um die Form, um Anspannung und Ruhe, Schwerkraft und deren Überwindung, um "das Lasten, Schweben, Kippen und Ausbalancieren der Formen" , die Gegensätze von "Statik und Dynamik, Lasten und Schweben, Symmetrie und Asymmetrie, Masse und Raum" (Reich).

Dass dies alles dennoch nicht lediglich "l'art pour l'art" ist, sondern viel mit elementaren existentiellen Erfahrungen und Haltungen zu tun hat, wird dem Betrachter bewusst oder unbewusst deutlich, wenn er sich selbst, wie eingangs angedeutet, beim assoziativen Vergleichen erlebt. Auf verblüffende Weise wurden solche Bezüge 2007 in der bereits erwähnten Ausstellung des Kunstvereins Zweibrücken deutlich, die Arbeiten Schöneichs den gegenständlichen Bronzen seines Lehrers Erich Koch gegenüberstellte. Ausgangspunkt von Schöneichs Arbeiten sind Skizzen, die er "Gedankenblätter" nennt. In die dritte Dimension übertragen wurden sie, nach ausgiebiger Prüfung und Auswahl, früher in Gipsmodellen, heute tritt an deren Stelle die Computersimulation.

Plastik, Skulptur - ich möchte hier nicht auf die Unterschiede in der Terminologie eingehen - ist Raumkunst. Sie erschließt sich grundsätzlich nicht von einem einzigen Blickpunkt her, aus einer einzigen Perspektive. Man muss sich bewegen, um ihre vielfältigen Facetten wahrnehmen zu können. "Kennzeichnend ist (...)", so Annette Reich in dem bereits zitierten Text, "die Allansichtigkeit der Skulpturen und dass diese nicht für eine feste Position konzipiert sind, sondern auch umgedreht gezeigt werden können". Diese potentielle Beweglichkeit deutet sich auch dadurch an, dass alle Arbeiten lediglich an zwei oder höchstens drei Punkten den Boden berühren.

Malerei hingegen, der Fläche verbunden, kann Räumlichkeit nur als bildimmanente Illusion vergegenwärtigen. Ähnliches gilt für die Druckgrafik. Und doch haben beide Gattungen, so wie sie in unserer Ausstellung die zentral präsentierte Plastik gleichsam umspielen, auf je eigene Weise mit dem Raum zu tun.

Barbara Adamek, 1950 in Kranenburg bei Kleve geboren und an der Düsseldorfer Kunstakademie ausgebildet, kommt von der Malerei her. Dass sie auf subtile Weise mit Farben, Farbfolgen und Farbzusammenstellungen umzugehen versteht, zeigt sie einmal mehr in dieser Ausstellung. Das Grundkonzept ihrer Arbeiten, da trifft sie sich mit Martin Schöneich, ist konstruktiv, geometrisch fundiert. Streifen, Winkel, aber auch Kreise und Ringe bestimmen ihr Formrepertoir. Dass sie auch anders kann, zeigen gegenständliche Zitate im vorderen Bereich der Ausstellung, und dass es ihr nicht nur um das allein schon spannende Zusammenspiel farbiger Flächen und Bahnen unterschiedlicher Proportionierung geht, wird deutlich, wenn man sich den durchaus unterschiedlich behandelten, die Strukturen des Pinselduktus nicht verleugnenden Farbauftrag näher betrachtet.

Überhaupt leben diese Arbeiten entscheidend von der Spannung zwischen Totale und Detail, zwischen Fernsicht und Nahsicht. Entscheidend aber ist, Sie haben es längst gemerkt, und der Ausstellungstitel hat ja bereits darauf aufmerksam gemacht, dass es sich hier nicht um Malerei im konventionellen Sinn handelt, sondern um Bildobjekte. Sie stehen für eine im 20. Jahrhundert entwickelte wichtige Tendenz, die Entgrenzung der Malerei, ihr Ausstiegs aus dem Rahmen und ihr Einstieg in die dritte Dimension. Zahlreiche, sehr verschiedenartige Beispiele ließen sich aufführen. Gemeinsam ist ihnen allen, dass sie sich aus der Malerei entwickelt und nichts mit der klassischen Tradition der Skulptur zu tun haben.

Barbara Adamek malt auf Edelstahl. Doch hat dieser Bildträger keineswegs eine lediglich passive Trägerfunktion, vielmehr wird er stellenweise selbst zum Farbstreifen, also zum Teil der Komposition, löst sich von der Wand ab, stößt winkelförmig in den Raum vor, verdeckt und macht sichtbar, reflektiert Farben, erzeugt ein irisierendes Sfumato, das sich ändert je nach dem Standpunkt des Betrachters. Denn auch hier muss sich der Betrachter bewegen, um die ganze Vielfalt dieser raumbezogenen, in gewisser Weise kinetischen Kunst zu erleben. Als Bildträger fungiert letztlich die Wand, doch auch sie wird Bestandteil des Bildes, wenn einzelne Teile einer Arbeit sich vom Hauptbild lösen und sich als Satelliten selbständig machen, gehalten dennoch durch die übergreifende Komposition, in der, wiederum wie in der Musik, Pausen nicht Löcher sind, sondern integrierende Bestandteile eines Ganzen. Was freilich diese Arbeiten wiederum mit den Plastiken Schöneichs verbindet, in denen ja auch der Durchblick, die Leere, der Zwischenraum eine wichtige Rolle spielt.

Und schließlich, last but not least, die Druckgrafik. Die Art der Präsentation macht auf Berührungspunkte zu den beiden anderen Ausstellungsbereichen aufmerksam, denen Sie selbst nachspüren mögen: Da gibt es, in Ulrich J. Wolffs großformatigen Blättern und Bildkombinationen - aus technischen Gründen sind etliche Bilder als mehrteilige Kompositionen angelegt - vieles, was dialogisch an die Arbeiten von Adamek und Schöneich anknüpft: Das Konstruktive, das Architektonische, aber auch informelle, gestisch-malerische Strukturen, Linien, Streifen, Winkel, Kreise, Rhythmen, der Kontrapost von Ballung und Auflösung, von Schwere und Leichtigkeit, von Flächigkeit, Raumillusion und realem, zwar minimalem, aber nicht desto weniger spürbarem Vordringen in den realen Raum.

Interessant und eigen, wie sich perspektivische und aperspektivische Figurationen überlagern, wie die Überlagerung in einem weiteren Schritt noch gesteigert wird durch die Verwendung von bedruckter transparenter Kunststofffolie und wie schließlich der Prägedruck aus der Radierung ein tastbares Relief entstehen lässt. Hier ergeben sich Parallelen zu Wolffs Malerei, in die er konkrete Landschaftsbezüge einarbeitet, Sand, Steine, diverse Collageelemente, - dabei aufgreifend und weiterführend, was Künstler wie Baumeister, Dubuffet, Tapies oder Dahmen der Malerei an neuen Möglichkeiten erschlossen haben - auch dies ein Ausstieg aus dem Rahmen, wenngleich auf völlig andere Art und Weise als bei Barbara Adamek.

Wolff, 1955 in Schwaigern geboren, hat an der Kunstakademie Karlsruhe Malerei und Grafik studiert. Er praktiziert, wie bereits angedeutet, beide Techniken nebeneinander, in dieser Ausstellung konzentriert er sich jedoch auf Radierungen, die in seinem Schaffen einen dominierenden Stellenwert einnehmen. Heute lehrt Wolff in Karlsruhe selbst Radierung und Siebdruck.
Im Zusammenhang unserer Überlegungen zum Ausstellungskonzept mag der Hinweis angebracht sein, dass es eine elementare Verwandtschaft der beiden klassischen Drucktechniken Holzschnitt und Radierung zur Plastik gibt. Denn die Bearbeitung der Druckplatten ist, anders als bei Lithographie und Siebdruck, ein im Grunde plastischer, besser gesagt, ein skulpturaler Vorgang, bei dem das zweidimensionale Bild erst auf dem Umweg über eine letztlich dreidimensionale Formgebung zustande kommt.

Wer sich auch nur ein wenig in druckgrafischen Techniken auskennt, weiß, wie umfangreich, komplex und wahrhaft kompliziert gerade bei der Radierung die Scala der technischen Verfahren und Möglichkeiten ist - vom unmittelbaren Einritzen der Linie in die Metallplatte bei der Kaltnadeltechnik über das Beschichten, Radieren und Ätzen bis hin zu Aquatinta, Vernis mou, Zuckeraussprengverfahren und den Möglichkeiten fotografischer Beschichtung und Belichtung der Platte, von den zahlreichen Arbeitsgängen des Druckens einmal ganz abgesehen.

Wolff beherrscht all diese Techniken virtuos. Es macht ihm Spaß, zu experimentieren, dennoch ist Virtuosität für ihn kein Selbstzweck, wie auf beunruhigende Weise insbesondere die 2008 entstandene Täter-Opfer-Serie zeigt, die das Ende des Ausstellungsparcours markiert, dort, wo noch einmal alle drei Künstlerpositionen zusammengeführt werden. Basierend auf authentischen, aus dem Internet heruntergeladenen Fotos und Texten wird hier das mit grafischen Mitteln evozierte Verblassen der Erinnerung an die Ermordeten der Einprägsamkeit der aus der Anonymität herausgerissenen Mörderphysiognomien gegenübergestellt.

Abgesehen davon, dass Wolff mit dieser Serie einen Hinweis auf die "zweite Schiene" seines Schaffens gibt - neben den in der Ausstellung dominierenden, im wesentlichen ungegenständlichen Arbeiten befasst er sich intensiv auch mit dem Thema des Porträts - wird hier mit besonderem Nachdruck die Motivation deutlich, die ihn an dieser im wahrsten Wortsinn vielschichtigen und zeitaufwändigen Technik reizt: Ihn interessiert nicht die im heutigen Medienzeitalter ohnehin obsolete historische Bedeutung der druckgrafischen Techniken als Mittel der Reproduktion und Multiplikation, sondern das auf keine andere Weise erzielbare geheimnisvolle, hintergründige, seinen Autor oft selbst überraschende Bild, das in langwierigen und mühsamen Prozessen experimentierenden Reflektierens unter den Händen des Künstlers entsteht.

(1) Holger Liebs, Das Maß, an dem sich Kuratoren messen müssen, SZ 23.08.08
(2) Lehrer und Schüler im Dialog. Erich Koch und Martin Schöneich. Kunstverein Zweibrücken 2007



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Barbara Adamek
Barbara Adamek: "Inari"
Martin Schöneich
Martin Schöneich: "Rotation IV"
Ulrich J. Wolff
Ulrich J. Wolff: "Flucht" (2007) Radierung, Collage, 78 x 212 cm (Unikat)