Stadt Landau in der Pfalz / Frank-Loebsches Haus
Brigitte Sommer: "Hortus - oder das Hohelied des Gartens"
Malerei
26.04.09 bis 31.05.09
Brigitte Sommer
Brigitte Sommer: "Hortus Palatina I"

In den Bildern herrscht paradiesische Ruhe, nichts regt sich. Hier und da wachsen aus dichten Farbschichten Metaphern, wie eine Blume, ein Blatt, ein Boot, oder eine Schale. Brigitte Sommers Gärten sind Orte der Stille, der Besinnlichkeit. Es geht in ihren Mischtechniken um mehr als eine Hommage an die Schönheit der Natur. In ihren von Wächtern bewachten Schutzräumen kann sich der Betrachter aufhalten und sich selbst begegnen.

Veranstalter: Städtische Galerie und Galerie Z im Frank-Loebschen Haus


Einführung von Dr. Helmut Orpel

Der Garten als Motiv in der bildenden Kunst und in der Literatur hat einen hohen kulturgeschichtlichen Stellenwert. Die nach ästhetischen Gesichtspunkten gestaltete Landschaft erlebte bereits in den Beschreibungen der antiken Autoren von den hängenden Gärten der Semiramis von Babylon eine hochrangige kulturgeschichtliche Würdigung. In der christlichen Kunst bieten die paradiesischen Gärten aus der Bibel dem Maler eine ganze Palette von Darstellungsmöglichkeiten, die zu allen Zeiten ausgiebig genutzt wurden. In der Bibel taucht der Garten an vielen Stellen als Motiv auf. Sehr prominent ist zum Beispiel der Garten Gethsemane, in dem Christus mit seinen Jüngern die letzte Nacht vor der Passion verbringt.
Auch der Titel der heutigen Ausstellung - das Hohelied des Gartens - deutet auf die Bibel als dem zentralem Werk der abendländischen Kultur hin und auf eine sehr spezielle Nebenbedeutung des Themas Garten, denn das Hohelied des Salomon bezieht sich auf die Liebe zum Garten und auf die Liebe zu Menschen

Die Funktion des Gartens ist in der mittelalterlichen Kunst und Literatur bestens belegt. Die literarische Vorlage für jenen Motivkanon lieferte der "Roman de la Rose" aus dem 13. Jahrhundert. Mit dieser Verknüpfung erschöpft sich die Bedeutung des Gartens in der Kunst freilich nicht. Vor allem ist der Garten ein Ort der Beschaulichkeit, ein Schutzraum, ein Symbol für die Grenzen unserer Möglichkeit, auf die Welt um uns herum Einfluss zu nehmen.

In unserer Ausstellung geht es natürlich um die Bedeutung des Gartens in der zeitgenössischen Kunst. Im Schaffen von Brigitte Sommer hat der Garten eine besondere Bedeutung. Hier in der Region ist sie keine Unbekannte. Seit nunmehr 20 Jahren stellt Brigitte Sommer öffentlich aus. Ursprünglich stammt die Künstlerin aus Nordrhein-Westfalen. Sie studierte Kunst in Zürich und erhielt mehrere Stipendien, so in Frankreich. Malerreisen in die USA erweiterten den visuellen Horizont und prägten ihr künstlerisches Schaffen.

Der Garten ist neben den Wächterfiguren, den Booten und den Schalen das entscheidende, bedeutungstragendes Element in Brigitte Sommers persönlicher Ikonographie, ein Symbol, das tief in die Schichten unseres Unbewussten dringt und sich dort verankert. Obwohl die Symbolsprache in dieser Weise sehr persönlich ist, ist sie für den Betrachter doch lesbar und verständlich, denn er verbindet jene zunächst unvertraut wirkenden Symbole mit persönlichen Gefühlen und Empfindungen. Brigitte Sommer greift auf archaische Formen zurück, die sie ganz speziell für ihr individuelles Darstellungsbedürfnis umarbeitet. Vorbilder in der Geschichte der modernen Kunst findet sie hier bei Max Beckmann.

Auffällig in ihrem aktuellen Schaffen ist die Dichte, in der sich die verschiedenen Symbolwelten durchdringen. Die Bilder der Künstlerin bauen auf einer Symbolsprache auf, die in einem geschlossenen Wirkungszusammenhang steht. Beim ihrer Behandlung der verschiedenen Themen, wie zum Beispiel des Gartens, überlagern sich hier unterschiedliche Bedeutungsschichten. Die erste, die dabei auffällt beruht auf dem Unterschied zwischen Garten und Landschaft. Wie oben angedeutet, erscheint die Landschaft in der mittelalterlichen Kunst als die Wildnis, als Fremde schlechthin und dadurch auch als bedrohlich. Dieses Verhältnis ändert sich einige Jahrhunderte später mit der Romantik radikal.

Es gibt zumindest in unseren Breiten kaum mehr Bedrohungen, die von der Wildnis ausgehen. Dieses moderne Verhältnis schwingt freilich auch bei der künstlerischen Interpretation jener Zusammenhänge mit. Die Landschaft um ihren Garten ist der Künstlerin vertraut und lieb, wie sie durch vertraute Höhenzüge, die da und dort in ihren Bildern auftauchen, bekennt. Die Begrenzung zwischen dem Garten und der südpfälzischen Landschaft ist nur Symbolisch. Dies ist kennzeichnend für die Epoche und das Individuum der modernen Welt, wie es etwa um 1800 zu verzeichnen ist.
In Brigitte Sommers Arbeiten ist der Garten nicht die domestizierte Idylle im Sinne des "Roman de la Rose". Er ist vielmehr ein Spiegelbild der Natur, auch der inneren Natur des Menschen, der sich einen Garten angelegt hat. Die Mauern wirken hier nicht unüberwindlich und der Garten auch nicht als ein von der Landschaft abgesetzter Bereich. Die Gärten im Wechselspiel mit der Landschaft betonen eher positiv die Kraft der Natur, die sich dem Betrachter in der Landschaft offenbart. Dies betont die Künstlerin durch ein imposantes Farbenspiel, in das sich bisweilen auch Goldtöne mischen, die eine Lichtwirkung evozieren, wie wir sie auch in der Natur bisweilen wahrnehmen können.

An dieser Stelle kommt ein Gedicht von Rainer Maria Rilke ins Spiel, von dem sich die Künstlerin hat inspirieren lassen. Hier geht es gerade um das Wechselspiel zwischen innen und außen, zwischen Natur und Seele, die zwar eine in sich widersprüchliche aber dennoch untrennbare Einheit bilden:

Natur ist glücklich

Natur ist glücklich. Doch in uns begegnen sich
Sich zu viele Kräfte, die sich wirr bestreiten.
Wer hat ein Frühjahr innen zu bereiten?
Wer weiß zu scheinen? Wer vermag zu regnen?

Wen geht ein Wind durchs Herz, unwidersprechlich?
Wer fasst in sich der Vogelflüge Raum?
Wer ist zugleich so biegsam und gebrechlich
Wie jeder Zweig an einem Baum?

Wer stürzt wie Wasser über seine Neigung
Ins unbekannte Glück so rein, so reg?
Und wer nimmt stimm und ohne Stolz die Steigung
Und hält sich oben wie ein Wiesenweg?

Die Natur ist mächtiger als der Mensch und der Mensch mit allen seinen Bauwerken und Spuren, die er hinterlässt, eine zeitweilige, vielleicht im Verhältnis zur gesamten Schöpfung, sogar nur eine kurzlebige Erscheinung auf dem Planeten. Auch solche Gedanken sind den Werken Brigitte Sommers nicht fremd.
Ihr geht es letztendlich um diese Offenheit, um diesen Schwebezustand, der Gedanken provoziert. So wirken die Mauern, die Abgrenzungen, die Art und Weise, wie der Mensch den Garten als das Besondere aus der Landschaft als dem Allgemeinen, herausnimmt wie durchlässige Gebilde, eher wie die nach oben offene Schale, die den Raum nur für kurze Zeit definieren. Sie wissen sicherlich, was passiert, wenn man einen Garten nur eine kurze Zeit sich selbst überlässt. Die Integrationskraft der Natur verleibt ihn sich wieder ein.

An diesen Punkt, an dem es um das Verschwinden, um das Werden und das Vergehen geht, möchte ich noch auf eine weitere Bedeutung verweisen, welche das Thema im Schaffen der Künstlerin haben könnte. Offenkundig geht es ihr keinesfalls um Gegenständlichkeit im Sinne von Abbildungsrealität, sondern vielmehr um Bilder, die hinter der bloßen Oberfläche der Erscheinung ihren Ort haben. Dazu bedient sie sich einer Palette, die meist von einem bestimmten Grundton ausgeht. Entweder sind dies warme orange-gelb Töne wie im vorderen Bereich, Moosiges Grün oder Kobaltblau. Der Künstlerin geht es dabei nicht um die Lokalfarbe, sondern vielmehr um die Wirkung der Farbe auf das Gemüt. Der warme Grünton vermittelt hier das Gefühl der Geborgenheit, das tiefe Blau die Empfindung von Ferne und Unbegrenztheit. Diese beiden Grundgefühle spielen zusammen, wenn es um das Motiv des Gartens geht, denn der Garten ist ja eingebettet um die Welt um ihn herum.
Durch das kongeniale Zusammenspiel unterschiedlicher Komponenten wie Farbe, Duktus, Oberflächenstruktur und Format, welche die Künstlerin im Laufen eines langwierigen, über unterschiedliche Stadien sich vollziehenden Malprozesses zu einer vielschichtigen Einheit zusammenführt, ist hier ein Eindruck erreicht, der über die herkömmliche Raumerfahrung hinausgeht. Sie wendet hier nicht das Prinzip der Zentralperspektive an, sondern verschachtelt vielmehr unterschiedliche Perspektiven ineinander. Durch die Staffelung und Überlagerung unterschiedlicher Flächen erhalten ihre Bilder eine erstaunliche Tiefenwirkung wie man sie aufgrund des flächigen Aufbaus zunächst nicht vermutet.

Genau diese Tiefe ist es, die hier eine besondere Bedeutung hat, die Welt ist Formlos, ist Informel. Sie verweist uns dadurch auf die Vergänglichkeit und die Relativität unseres Sehens und Empfindens, das nur in einem bestimmten Rahmen Gültigkeit hat. In diesem Sinne sind die Hurti palatinae, die Pfälzischen Gärten, die uns die Künstlerin heute hier zeigt auch metaphysische Bilder, die zum Nachdenken über unser Dasein anregen.




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