Landkreis Südwestpfalz / Kreisgalerie Dahn
Claudia Hüfner: "Synästhesie - Gegensätze oder Harmonie?"
07.10.07 bis 11.11.07
Claudia Hüfner
Claudia Hüfner: "Andru Donalds_All out of love"

Claudia Hüfner über ihre Arbeit

Was macht man, wenn man schon im zarten Alter von fünf Jahren erkennt, dass man die einzige ist, die Musik sehen und Wörter und Zahlen in Farben im Gedächtnis speichert? Spätestens nach ein paar Versuchen, sich damit der eigenen Umwelt mitzuteilen und den darauffolgenden irritierten bis eindeutigen Blicken, lässt man es einfach und hält sich für nicht ganz normal.

Ich bin selbst eine "Betroffene", hielt mich immer für leicht "spleenig" (wie übrigens die meisten, die diese Wahrnehmung haben) und sprach fürderhin nur mit wenigen Eingeweihten meines Vertrauens darüber. Das hat sich erst geändert, als mir 1997 eine wissenschaftliche Abhandlung zu einem freien Umgang mit dieser Gabe verhalf, indem sie meinem Hirngespinst einen Namen gab und mich wieder in die Reihen der Zurechnungsfähigen einordnete:

"Synästhesie" heißt das Zauberwort und das sind Menschen mit "Multimedia in der Seele" - Menschen, für die Farben klingen, Gefühle eine Form haben, Töne und Buchstaben leuchten - oder die schlimmstenfalls sogar Worte schmecken müssen.

Der Artikel wurde verfasst von Hinderk Emrich und Karen Trocha, die die damals einzige deutsche Studiengruppe an der Medizinischen Hochschule Hannover zur Erforschung der Synästhesie leiten (die Amerikaner und ein paar Europäische Länder sind uns da schon wesentlich weiter voraus, und im Internet wächst die Anzahl der Seiten, die sich mit der Thematik wissenschaftlich beschäftigen).

Vor ein paar Jahren war es noch einer von zweitausend Menschen, der von Geburt an Zahlen, Buchstaben oder Töne farblich und räumlich sehen oder Geschmacksrichtungen mit einer Farbe und Form definieren kann, heute belegt eine BBC-Studie, dass wohl einer von hundert diese Hirnverknüpfung hat, also gar nicht so wenige. Aber dennoch ist die Zahl derer, mit denen man darüber reden kann, nicht besonders hoch; günstigenfalls wird man belächelt, wenn das Gegenüber nicht gerade auch ein Synästhetiker ist.

Dass es für Künstler eine Bereicherung ihre Kreativität ist, beweist Wassily Kandinsky's Malerei, bei Theophile Gautier drückt es sich in Worten aus. Es gibt also mehr von uns, als man denkt. Ich fühle mich nun zum Beispiel mit einer roten "vier" oder einem schwarzblauen "o" vor einem dunklen Hintergrund auch nicht mehr so allein. Allerdings war es für mein Gedächtnis schon immer eine äußerst angenehme Bereicherung, Zahlengruppen oder Sätze auf Grund ihrer Farbkompositionen zu behalten.

Darüber hinaus besitzt jeder gehörte Ton nicht nur Farbe, sondern automatisch eine Form, die - übrigens, ohne dass ein Synästhetiker das abschalten könnte - ständig vor meinem inneren Auge schwebt. Wer mich in einem Raum entspannt in einem Sessel sehen könnte, wie ich Musik per Ohrhörer genieße, würde sich über meine Augenbewegung hinter den geschlossenen Liedern wundern: ich verfolge den Film, der dabei intern vor mir abläuft in allen drei Dimensionen, die sich mir auftun - sensorsurround mit 360° sozusagen. Aber wie aus oben genannten Gründen schon erwähnt, lasse ich mich dabei lieber nicht beobachten.

Selbstverständlich erfüllt Musik den Raum Musik, während ich schöpferisch tätig bin. Bei der Verarbeitung dieser Eindrücke entstehen Bilder in Komposition und Farbe, die die Töne umsetzen, so wie ich sie vor meinem geistigen Auge sehe. Meine musikalische Hör-Bandbreite ist weit gesteckt, aber wenn ich ein Stück ablehne, dann, weil ich das geistige Bild absto-ßend finde oder die "Farbe" der Instrumente oder Stimmen nicht mag.
Musikalische Formen sind bei moderner Musik dreidimensional, was die Umsetzung auf ein Tafelbild natürlich erschwert, aber die Herausforderung um so spannender macht.

Konzeptionell habe ich Synästhesie und Malerei verbunden, um es "begreifbar" zu machen. Das Bild "Corrente" z.B., ist ein Musikstück aus der CD "Adiemus III" und setzt die Stimmung, die Stimmen und deren Färbung für mich um, bei "These words" handelt es sich um einen Titel von Natasha Bedingfield, mit einer verwirrend tiefen Hintergrundsakustik, "Half Past Time" ist die Umsetzung von "The Lady of Shalott" von Loreena McKennitt. Die Musik versetzte mich in eine Art Quasi-Vergangenheit, die klare Ruhe des Stückes und vor allem die Stimme der Sängerin definiert die helle Fläche innerhalb der irdenen Farben. Bei der konzeptionellen Ausstellung können die Musikstücke natürlich zu den Bildern gehört werden.

Als Mitglied der "schreibenden Zunft" lebe ich meine zweite Leidenschaft. Es ist deswegen auch nicht verwunderlich, dass ich meine "Textkompositionen" nach ihren Farbwerten erstelle; auch dieses "Klangbild" muss vor meinem geistigen Auge stimmen - dieses Mal aber in der Farbharmonie der Buchstaben.





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