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Edelgard Lösch und Brigitte Sommer: "Zwischen Form und Farbe"
Malerei, Grafik, Plastik
17.04.12 bis 15.05.12
Galerie in der TU
Edelgard Lösch

Vernissage am 17.04.12 um 19.00 Uhr
Einführung: Dr. Heinz Höfchen, Museum Pfalzgalerie Kaiserslautern

Die aktuelle Ausstellung der Galerie in der TU Kaiserslautern, eine Kooperation der Universitätsbibliothek und des Studium Integrale Zentrums ist den beiden renommierten Künstlerinnen Edelgard Lösch und Brigitte Sommer gewidmet.

Der Werkstoff Walzblei ist für Edelgard Lösch eine ganz besondere Entdeckung, da dieses Material bereits Jahrzehnte, ja sogar Jahrhunderte auf Dächern lag, bevor es den Weg in ihre Werkstatt fand. Vorhandene Patina, Verwerfungen und Faltungen in Kombination werden mit den herauszuarbeitenden glatten Formen zu einer Einheit gestaltet. Glätte und Brüche als Sinnbild des Lebens, ein Merkmal, das sich durch ihre gesamte künstlerische Arbeit zieht, findet in den Gebrauchsspuren des Walzbleis eine besondere Beachtung in der Ausarbeitung des Figürlichen. In den Werken, in denen Edelgard Lösch Glas und Ton kombiniert, geht es vor allem um das Wie. Wichtig ist dabei das Aufnehmen der zwar zu bearbeitenden, aber dennoch vorhandenen Form im Fundstück Glas, ohne dass die Eigenständigkeit der neu zu schaffenden Keramik beeinträchtigt wird. Sowohl eine Konformität, als auch eine Spannung wird dabei erreicht.

Brigitte Sommer hat in Zürich studiert und als Kunstpädagogin unterrichtet. Vor allem aber hat sie in den über 20 Jahren der freien künstlerischen Tätigkeit ihre Technik kontinuierlich weiterentwickelt und dadurch eine enorme Ausdruckskraft hervorgebracht. Gerade das Können und die sorgfältige Auswahl des Materials, das sie zum Einsatz bringt, verleiht ihren Werken ein besonderes Gepräge. Brigitte Sommer lässt sich nicht auf eine bestimmte künstlerische Richtung festlegen, sondern schöpft ganz individuell aus der Kraft der Imagination - Zufall und bewusste Steuerung ergänzen sich.


Einführung von Heinz Höfchen

Zuerst war ich ein wenig erstaunt, zu hören, dass Brigitte Sommer und Edelgard Lösch zusammen eine Doppelausstellung bestreiten. Die Südpfälzer Malerin Brigitte Sommer ist mit figural betonten expressiven malerischen Serien bekannt geworden und Edelgard Lösch aus Steinwenden kennt man durch ihre abstrahierten keramischen Arbeiten. Geht das zusammen? Aber ja, denn bei näherem Hinschauen ergeben sich überraschenderweise eine ganze Reihe von übereinstimmenden Konstanten, die beiden zu Eigen sind. Lassen Sie mich einen zentralen Punkt herausgreifen und deutlich machen. Ich denke, dass es beiden zuallererst um den Ausdruck von Emotion geht - und das ist ganz entscheidend.

Leo Tolstoi kommt in seinem berühmten, aber viel zu wenig bekannten Essay "Was ist Kunst?" auf dieses Prinzip zu sprechen und erschließt uns die Problematik recht eingängig. Tolstoi erklärt an einem Beispiel, was er damit meint, wenn er die Kunst ein Mittel zur Mitteilung von Emotionen nennt. Nehmen wir an, sagt er, ein Junge wurde im Wald von einem Bären verfolgt.

Wenn der Junge ins Dorf zurückkehrt und schlicht und einfach erklärt, er sei von einem Bären verfolgt worden und entkommen, dann ist das normale Alltagssprache, das Mittel zur Mitteilung von Tatsachen oder Ideen. Wenn er aber seine Gefühlszustände beschreibt, zunächst seine Unbekümmertheit, dann seine plötzliche Bestürzung und seinen Schrecken, als der Bär erschien, und schließlich seine Erleichterung, als es ihm gelang zu entkommen, und wenn er dies so beschreibt, dass seine Zuhörer seine Emotionen teilen, dann ist seine Beschreibung ein Kunstwerk.

Wenn der Junge dies nun tut, um die Dorfbewohner dazu zu bringen, sich aufzumachen und den Bären zu töten, dann ist seine Erzählung, obwohl er vielleicht künstlerische Verfahren verwendet, kein reines Kunstwerk. Erzählt er aber sein Erlebnis an einem Winterabend um der nachträglichen Ergötzung an seinem Abenteuer willen, oder besser noch, erfindet er die ganze Geschichte der imaginierten Emotionen halber, dann wird seine Erzählung ein reines Kunstwerk.
Nach dem Beispiel mit dem Jungen und dem Bären sollten wir den Versuch aufgeben, ein Kunstwerk nach seinen Rückwirkungen auf das Leben zu beurteilen. Betrachten wir nämlich derart das Emotionale, so wird klar, dass Kunst Ausdruck des imaginativen Lebens ist.

Neben dem Ausdruck der Emotion ist genauso grundlegend die Vorstellung von der Aura des Kunstwerks. Denn natürlich verweist der Begriff der Aura, des Auratischen auch auf den Kern der Kunstwerke von Brigitte Sommer und Edelgard Lösch. Dieser zutiefst humanistisch geprägte Begriff umschreibt in einer Formulierung Paul Valérys das Sehen, das vom Anderen herkommt. Im ästhetischen Bezug ist die Aura damit an die Anwesenheit des Betrachters gebunden, der sich einfindet in die besondere Ausstrahlung und Anziehungskraft des Werkes, auf das er in der Begegnung reagiert. Für Walther Benjamin hing die Aura auch mit dem Wachträumen zusammen, Ernst Bloch nannte dasselbe Phänomen mit utopischem Impetus Träumen vorwärts.

Und so ist es auch mit den Arbeiten von Brigitte Sommer. Sie sind durchdrungen von ihren tiefsten Absichten, sie spiegeln ihre Träume, ihre Kämpfe und ihre Sehnsüchte. Sie sind erfüllt von dem, was man das Träumen vorwärts nennt.

Brigitte Sommer stellt sich in dieser Ausstellung mit zwei eng zusammenhängenden Serien von Arbeiten vor. Es ist eine tatsächlich völlig neue Werkgruppe, und wenn man ihr bisheriges Schaffen ein wenig kennt, schaut man zuerst etwas verwundert drein. Aber obwohl die Künstlerin eine wirklich neue Seite ihres Tuns aufgeschlagen hat, bleibt es nicht bei der Verwunderung. Denn Clemens Jöckle hat über diese neuen Arbeiten in einem jüngst erschienenen Katalog einen erhellenden Text geschrieben. Ich zitiere daraus:

"Zwischen Grafik und Malerei erkundet Brigitte Sommer auf einer Reise in die eigene Befindlichkeit den von ihr ins Bild gesetzten inneren Raum als einen etwas anderen Garten in vielfältigen Erscheinungsformen. Sie wendet dafür das Stilmittel der Transparenz an." Das ist eine hervorragende Zusammenfassung, die es auf den Punkt bringt.

"Zwischen Grafik und Malerei", diese Umschreibung der technischen Gegebenheiten hört sich zunächst ein wenig unentschieden an. Was ist da wirklich zu sehen? Malerei ist es nicht, denn die Künstlerin verwendet Tusche und Aquarell, sie zeichnet und druckt Monotypien.

Dennoch ergibt sich eine gewisse malerische Wirkung der Arbeiten, eine Art Sfumato durchzieht die Bildgründe. Auslöser dieses Eindrucks ist das durchgängig benutzte Stilmittel der Transparenz: Brigitte Sommer legt mehrere Schichten bearbeiteter Pergamin- oder Japanpapiere übereinander, so dass die einzelnen Farbebenen in der Zusammenschau eine räumliche Tiefe und eine schwebende, eben malerische Anmutung erhalten.

"Durchschaubare Episoden" bzw. "Teilweise transparent" heißen die beiden Serien und nehmen bereits im Titel Bezug auf den wesentlichen Charakterzug der Transparenz. Die Serie "Teilweise transparent" wartet darüberhinaus noch mit einer weiteren technischen Besonderheit auf: Die an der Oberfläche der Arbeiten abschließende Glasfläche wurde partiell abgedeckt und sandgestrahlt. Die durch die Quarzbestrahlung opak erscheinenden Glasflächen und die normal durchsichtigen Glasteile lassen natürlich völlig unterschiedliche Durchblicke auf die transparenten Schichten zu und steigern das an sich schon Ungewisse in eine weitere dialektische Ebene.

Diese Komplexität bei vordergründiger Überschaubarkeit macht sicherlich einen Teil der Faszination aus, die die Arbeiten Brigitte Sommers umgibt. Grundzug ihrer neuen Bilder ist eine lyrische Stimmung, es ist die unausgesprochene Frage nach den Befindlichkeiten der gegenwärtigen condition humaine. Eine besonders auffällige Arbeit trägt als Inschrift den Titel "Euer Schauen ist euer Garten". Das hört sich kryptisch an, ist aber gut nachvollziehbar als Aufforderung zu gewissermaßen aktiver visueller Tat: gemeint ist nun nicht nur das Träumen vorwärts sondern auch und ganz dezidiert das Schauen vorwärts, das seine Entsprechung im Handeln des Individuums findet. Damit ist Existenzielles angesprochen, denn das Handeln als Verwirklichung des Menschen hat seine Voraussetzung im Sehen und Schauen.

Auch Edelgard Lösch zeigt in dieser Ausstellung zwei Serien von Arbeiten. Bei ihr sind es zwei höchst unterschiedliche Serien von Plastiken bzw. Objekten, deren eine, "in combinazione" genannt, diejenigen ebenfalls verwundern wird, die das Werk von Edelgard Lösch bereits kennen. Denn hier ist ebenfalls eine völlig neue Werkgruppe entstanden, die die Arbeit der Künstlerin in verändertem Licht erscheinen lässt.

Lassen sie mich aber zunächst auf die andere Serie eingehen, die technisch durch die Verwendung von Walzblei gekennzeichnet ist. Das Material Walzblei ist sozusagen das objet trouvé vom Dach, ein zuvor benutztes Material mit Geschichte und Patina, das die Künstlerin in ihrer Aneignung zu neuer Formhaftigkeit führt. Wesentlich dabei ist, dass sich Edelgard Lösch auf das Material und damit auf die Vergangenheit der Fundstücke einstellt. Sie übernimmt Verwerfungen und Faltungen des Bleis, sie arbeitet sozusagen das Konvexe heraus.

Die Walzblei-Arbeiten sind eine figürliche Werkgruppe, es geht dabei sowohl um das Menschenbild als auch um das Sinnbild des Lebens. Schon der Titel einer dieser Arbeiten, "Hommage à Giacometti" zeigt, worauf die Künstlerin ihre plastische Sprache fokussiert: Das Bild des modernen Menschen spiegelt sich in den Verwerfungen des Walzbleis, es ist das Bild des durch Brüche und Katastrophen bedrohten Menschen.

"In combinazione" hat Edelgard Lösch ihre jüngste Serie von Arbeiten benannt. Entstanden ist die Idee dazu im Künstlerhaus Schirnding im Fichtelgebirge nahe der tschechischen Grenze, als die Künstlerin im Abfall einer Glasmanufaktur im benachbarten Ort Waldsassen ein Glasstück gefunden hat. Auch hier ist es ein objet trouvé als Auslöser der Materialaneignung. Wie die Benennung schon andeutet, sind die Arbeiten eine Kombination der Werkstoffe Glas und Keramik, deren Annäherung einige technische Schwierigkeiten innewohnen: Die Glasform ist Ausgangspunkt der Bildidee, die Keramik wird dem Glas gewissermaßen angepasst, zunächst wird sie massiv aufgebaut, dann ausgehöhlt, schließlich gebrannt.

Hier geht es nun nicht mehr figural um das Bild des Menschen in unserer Zeit - die inhaltlichen Bezüge sind offen, wie die Künstlerin betont. Sind es nun ungegenständliche Objekte oder überwiegt vielleicht der sinnbildhafte Gehalt dieser Arbeiten? Man kann im technischen Dualismus der Werke vielleicht einen Hinweis auf Geborgenheit erkennen – immerhin legt die Eingebundenheit, ja Versenkung der Glasformen in die Keramik eine solche Deutung nahe. Oder ist die Glasform in entgegengesetzter Betrachtung ein solitär, ein gefasstes Schmuckstück? Wer weiß, der Betrachter ist in seiner Aneignung frei und kann seiner inneren Stimme und seinem imago folgen. Jedenfalls ist „in combinazione“ ein qualitativ überzeugender Wurf und die Aura dieser Arbeiten verbindet sich mit den transparenten Gründen der Bilder Brigitte Sommers zu einem beeindruckenden visuellen Akkord.


Öffnungszeiten:
Mo. bis Fr. von 8.00 bis 23.00 Uhr
Sa. von 9.00 bis 23.00 Uhr


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