Kunstverein Germersheim / Zeughaus Germersheim
"Kunst in den Gewölben 2005"
Grafik, Malerei, Objekte
05.11.05 bis 27.11.05
kunstgewoelbe05
Oliver Schollenberger

Einführung von Dr. Matthias Brück

Es zeichnet den Kunstverein Germersheim aus, dass er sich in der Regel Künstlerinnen und Künstler auszusuchen pflegt, die nicht im allgemeinen Mainstream mitpaddeln, die original und originell arbeiten, ohne ins Beliebige, in den flüchtigen Gag abzugleiten.
Also keine Post-Halloween-Exponate, sondern Werke, die zum Motto des heutigen Abends passen: Kultur-Nacht lautet schließlich die Einladung! - Da entführt Oliver Schollenberger in südliche, mediterrane Gefilde, doch nicht auf die gewohnte Urlaubsfotoweise mit viel Gefühl und Sonnenuntergang. Er entwickelt - ganz im Sinne der reinen oder absoluten Malerei - Motiv und Komposition aus dem Malen, aus der Farbe heraus.

Dabei gelingt ihm u.a. eine raffinierte Synthese aus Abstraktion und Gegenständlichkeit, in deren Kontext sich immer wieder Objekte wie Boote, Blüten, Gesichter, Pflanzen, Fische oder Kaffeetassen unterschiedlich gruppieren können. Nur dem Stier scheint eine Sonderrolle zugeschrieben zu sein.

Dabei wird dieser Künstler nicht zum Nacherzähler des ehemals Erlebten und Genossenen, sondern er kreiert farbmächtig und heiter-gelassen zugleich schlicht neue Welten, erfindet sie regelrecht…
Auch wenn die Bildinhalte nicht die erste Rolle in diesem Prozess spielen mögen, reizen sie die Betrachter dennoch zum assoziativen Denken, vermitteln oder erinnern sie an die jeweils eigene Stimmung, ohne deshalb eine inhaltsreiche Geschichte zu erzählen. Damit garantieren diese Exponate stets eine gewisse Offenheit, obwohl sie sich - formal gesehen - in beinahe hermetisch wirkenden Flächen und Parzellen begrenzt präsentieren.

Es scheint, dass fast alle Mischtechniken von Heidi Kuhn von direkt-indirekten Schwingungen durchzogen werden. Einst vielleicht nur unsichtbar als Schall und Energie, dann regelrecht konkretisiert, materialisiert als Wogen und Wellen. Diese Themenwahl resultiert einerseits aus einer langjährigen Beschäftigung mit diesem Komplex, andererseits aus den Informationen über eine kapitalistische Ausnutzung der Wasserknappheit in vielen Teilen der Welt.

So erklären sich auch die vielfachen kompositorischen Gegensätze, wenn beispielsweise der obere, schlanke Bildraum kaum erkennbare Schwingungen fasst, während in den unteren Partien der lebensnotwendige Zugang zu Wasser versperrt, verbarrikadiert wurde. Selbst die Fisch-Stillleben lösen sich nicht vom Medium "Wasser" als lebenskonstituierendes Element. Auch wenn bisweilen nur ein blankes Skelett indirekt an diesen Freiraum erinnert.

Natürlich kann man diese Exponate ebenso ohne diesen skizzierten, politisch-wirtschaftlichen Hintergrund erleben. Denn sie entfalten darüber hinaus eine ästhetische Spannung aus Fließen, Bewegt-Sein, starrem Verharren und Ausgesperrt-Bleiben. Nicht umsonst wird darüber hinaus die "Wand" in ihrer Bedeutung als verbergende Begrenzung zu einer ständigen metaphysischen Herausforderung! Vieles verbirgt sich, bleibt zu entdeckendes Geheimnis - und das in einer Zeit, die doch gerne alles an die große Glocke hängt.

Mit ihren Hochdruck-Grafiken - ob Linol- oder Holzschnitt - interpretiert Helga Boebel unsere Welt als ein Gefüge, ein Geschehen des Sich-Überlagerns, des Sich-Wiederholens.

Serielle Muster aus vielen gleichförmigen Einzelsituationen folgen hier aufeinander, werden zu unterschwelligen Strukturen, in denen die jeweiligen Motive zu regelmäßigen, fast ornamentalen Partien verschmelzen. So inszeniert diese Künstlerin hier in diesen seriellen Reduktionen regelrecht Schablonen unserer Massenkultur, in der die Gegensätze erhalten bleiben. Das Einzelne steht in Opposition zum Ganzen, das Individuum zur Allgemeinheit, wobei gerade diese Konstellationen zu einem Spannungsgefüge werden, das diese Arbeiten motiviert.

Innerhalb eines bestimmten formalen Rahmens - seien es Quadrate oder Rechtecke, die häufig den kompositionellen Aufbau festlegen - reihen sich szenische Wiederholungen und mögliches Alltagsgeschehen in austauschbarer Gleichzeitigkeit und Gleichförmigkeit aneinander. Die Gesamtfläche kann man sich somit als Endlosfilm vorstellen in der Nietzsches "Wiederkehr des Gleichen" konsequent cineastische Wirklichkeit geworden ist.

Doch Helga Boebel verharrt nicht in einer nur fatalistischen, eindimensionalen Deutung. Je nach Farbdunkel oder sich steigernde Helligkeit, werden ihre Arbeiten zur existentiellen Daseinsinterpretation, in der Aufstieg und Scheitern stets schicksalsbestimmend bleiben.

Man könnte an Paul de Lagarde erinnert werden: "Jeder Mensch hat die Chance, mindestens einen Teil der Welt zu verbessern - nämlich sich selbst."

Inge Barié-Kolb hat die Archäologie, das Forschen und Graben nach Vergangenem, schlechthin zu einer künstlerischen, existentiellen Praxis erhöht. Sie ist eine Suchende, die den Mythos in ihren Exponaten erhellt, interpretiert und in zeitlose Beziehung zum menschlichen Dasein zu setzen weiß.

In ihrer heutigen Installation umkreist sie Demeter, die Göttin der Mutter Erde, die nicht zulassen will, dass ihre Tochter Persephone sie verlässt und die Gattin des Hades, des Gottes der Unterwelt, wird. In ihrer Trauer und Depression über die Trennung von ihrer Tochter sorgt sie für Missernten auf der Erde, bis ein Kompromiss gefunden wird und Persephone einen Teil des Jahres bei ihr verbringen darf.

Der Wechsel von Trauer und Freude der Göttin Demeter manifestiert sich im Absterben der Natur, die im Frühjahr wieder von neuem erblüht, aufbricht. Mit den entsprechenden Materialien - Sand, Erde, Jute, Leinen, Kork, Champagner, Kreide, um nur einige zu nennen - und ihrer bevorzugten Kasein-Malerei, gelingt es dieser Künstlerin diese mythologischen Strukturen psychologisch-philosophisch ins Zeitlos-Gegenwärtige zu transformieren: Die problematische Beziehung von Mutter und Tochter, die unvermeidbare Trennung, der Schmerz, aber ebenso die erlernbare Fähigkeit zu Kompromiss, um mit seinem Schicksal umgehen zu können.

All diese Facetten und Schichten lassen sich aus dem Werk von Inge Barié-Kolb herauslesen, waren und sind sie doch Impuls ihres Schaffens. Und dennoch entfalten diese Exponate - auch ohne die skizzierten mythologischen Voraussetzungen - eine ästhetisch-faszinierende Wirkkraft, der man sich kaum entziehen kann.

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