Nasasjón - zu Deutsch etwa: Nasensicht - umschreibt eine intuitive Sicht auf die Dinge und die Welt, die mitunter weiter führt als rationale Erklärungsversuche. Eine Art Ahnung oder Einfühlung, die im Land der Sagas eine durchaus alltägliche und gegenwärtige Eigenschaft ist. Die Ausstellung vereint Arbeiten von sechs Künstlern, die in den 1950er Jahren in Island geboren sind und auch heute noch, ganz oder überwiegend, dort leben.
Sólveig Adalsteinsdóttir (geb. 1955) dokumentiert Räume, in denen sie gelebt hat, Orte, die sie besucht hat, oder zurückgelegte Wege - kurz: ihr Leben. Ihre Eindrücke übersetzt sie in Zeichnungen, die auf den ersten Blick vollkommen abstrakt erscheinen.
Ingólfur Arnarsson (geb. 1956) zeichnet mit hartem Bleistift ein dichtes Liniennetz auf nicht ganz Din A4 großes, glattes weißes Papier. Kaum sichtbar und für den flüchtigen Blick unsichtbar, eröffnet sich dem aufmerksamen Betrachter in der wolkigen all-over Textur ein Gespinst von Linien und zarter Farbigkeit.
Kristinn G. Hardarson (geb. 1955) ist ein Geschichtenerzähler. In comicartigen Zeichnungen berichtet er über die Vorkommnisse des Alltags und des gesellschaftspolitischen Geschehens. In seinen "Logos" kombiniert er vorgefundene Bildelemente aus Zeitschriften oder eigenen Zeichnungen mit teilweise absurden Überschriften.
Rádhildur Ingadóttir (geb. 1959) stellt ihren Zeichnungen unter anderem Lava, Wachs oder Wolle gegenüber. Auch sie erzählt Geschichten, allerdings von Traumbildern und dem Verschmelzen von Traum und Wirklichkeit, von Mikrokosmos und Makrokosmos.
Tumi Magnússon (geb. 1957) untersucht in seinen Videoarbeiten Phänomene des Alltags und der Wahrnehmung: telefonieren, Kaffee kochen, einkaufen gehen. In seinen "phone number drawings" übersetzt er die Wege, die der Finger über einem Telefondisplay beim Wählen zurücklegt, in farbige Linien, die dann eine abstrakte Zeichnung ergeben.
Ívar Valgardsson (geb. 1954) geht der Frage nach der Materialität von Malerei und Farbe nach. Beispielsweise legt er in seinen "Layers" hunderte Schichten handelsüblicher Wandfarbe übereinander. Die Oberfläche sieht wie ein monochromes Gemälde aus, die Seitenansicht offenbart den Blick ins Innere der Arbeit: Masse und Dichte der unterschiedlichen Farben machen das Bild zum skulpturalen Objekt.
So unterschiedlich die Medien und die künstlerischen Ansätze sein mögen, so scheint es doch etwas zu geben, was diese Künstler gemeinsam haben - es mag das spezifisch Isländische sein. Man kann eine tief verwurzelte Bindung an Islands Natur, an das Land und seine Geschichte, die immer auch Gegenwart ist, feststellen, einen oft skurrilen Sinn für Humor und eine Offenheit, die den leichtfüßigen Wechsel zwischen den künstlerischen Medien ermöglicht. Die deutsche Romantik als Geisteshaltung ist hier sehr nahe, und es bedarf nur etwas "nasasjón", um dem auf die Spur zu kommen.
Öffnungszeiten: Do. bis So. von 11.00 bis 18.00 Uhr