Landkreis Südwestpfalz / Kreisgalerie Dahn
Paul Bright: "Collagen: Fläche, Farbe und Wort."
03.07.05 bis 31.07.05
Paul Bright
Paul Bright

Einführung von Dr. Claudia Gross-Roat (Kaiserslautern)

De Chirico hat einmal gesagt: "Die Kunst ist gleichsam ein Schmetterlingsnetz des Schicksals, das diese ungewöhnlichen Momente einfängt." In den beiden Räumen hier in Dahn können wir betrachten, welche Fänge dem US-Amerikaner Paul Bright ins Netz gegangen sind. Auf den kleinformatigen Werken sind Billet- oder Etikettenteile mit verschieden farbigen, glatten oder geriffelten Papieren und Stoffteilen zu Collagen zusammengefügt.
Die Collage hat seit ihren Anfängen im Kubismus um 1912 etwas Schicksalhaftes. Bei Kurt Schwitters stehen wir wahren Klebeorgien gegenüber. Wie rasch hingeworfen, den Moment zelebrierend, erscheinen sie uns. Ganz anders die Collagen von Paul Bright. Sie haben etwas Kühles, Durchdachtes, sind sehr konkret und präzise. Er führt in seinen Werken das Wilde, fast unkontrolliert Wirkende und Derbe der Collage in ihrem frühen Stadium als Kunsttechnik zusammen mit dem exakten, geometrischen Erscheinungsbild der abstrakten Kunst der Konstruktivisten. Zu Beginn des letzten Jahrhunderts entwickelten sich die Kunststile in einem rasanten Tempo in allerlei Richtungen. Idee löste Idee ab.
Jeder Künstler träumt im Geheimen davon, dass sein Werk einen sogenannten Point-of-no-return markiert und er als Avantgardist Kunstgeschichte schreibt. Es bedeutet heute Mut, sich zurückzubesinnen, Werke zu analysieren und zu untersuchen, wohin man sich davon ausgehend entwickeln kann. Vielleicht einen Schritt zu finden, der im Eifer des Gefechtes damals nicht getan worden ist, und ihn dafür heute zu vollziehen. Tatsächlich ist die Technik der Collage eine verhältnismäßig junge Technik, deren Möglichkeiten noch lange nicht alle ausgeschöpft sind.

"Collagen: Fläche, Farbe und Wort." - so der Titel der Ausstellung. Er beschreibt die Elemente, aus denen sich die Kunstwerke zusammensetzen. Dabei überschreiten die Kunstwerke ein gewisses Format nie. Das liegt einerseits an den Papierfunden, andererseits ist es Programm: Um Aussage zu haben, braucht man nicht Größe, sondern Gehalt und Beherrschen des Formalen.
Oftmals ist der Kompositionsmittelpunkt das Etikett einer Weinflasche aus Frankreich, ein Packzettel aus Italien, eine Fahrkarte aus der Schweiz oder ein Stück eines Briefumschlages. Das Wort, die Zahl darauf als solche, sind nicht gemeint. Wir funktionieren als Betrachter aber so, dass wir jedes Wort, jeden Wortfetzen zu lesen suchen, hier indes sind sie völlig sinnentleert. Unsere Lesesucht wird ad absurdum geführt durch Fundstücke aus dem Müll, aufgesammelt in fremden Ländern, oder aus dem eigenen Briefkasten. Unser Auge wird vom Künstler zurückgeführt auf das, was in der Kunst wichtig ist: Auf Formen, Farben, ihre Zusammengehörigkeit oder Gegensätzlichkeit und die daraus resultierende Spannung. Auf diese Elemente wird Wert gelegt und die Konzentration darauf führt dazu, dass der Betrachter sich vom Künstler ernst genommen fühlt.
Das Etikett wird angeschnitten oder angerissen. Es ist eingebettet in eine Komposition verschiedener Papiere. In dem Spiel der Formen ist die Farbabstimmung zentrales Moment. In seiner Kenntnis und seinem Umgang mit den Farben zeigt sich die Ausbildung Paul Brights als Graphiker. Eine Zeit lang arbeitete der Künstler als Lithograph. Bei dieser Technik des Steindrucks werden die Farben in verschiedenen Druckvorgängen auf das Bild gedruckt - eine nach der anderen. Die Konsequenz aus seiner intensiven Beschäftigung mit der Farbe ist, dass er sie immer in Verbindung mit ihrer Farbzusammensetzung sieht. Farbe ist bei ihm somit nicht etwas, dass nur Raum im Bild einnimmt, ihn sozusagen koloriert. Deshalb platziert er neben eine blaue Fläche eine, deren Grün einen starken Blauanteil hat und kontrastiert die beiden mit einem warmen gelb-orange Ton. In anderen Werken spielt er mit mehreren Nuancen der gleichen Farbe und stellt ihr zwei Farbflächen der komplementären Farbe gegenüber. Als komplementär bezeichnet man Farben, die sich im Farbkreis direkt gegenüber liegen. Für unser Auge gehören diese Farben zusammen, deshalb sehen wir beispielsweise einen lila Fleck auf einer weißen Wand, nachdem wir für einige Zeit auf Gelb gestarrt haben. Ein solches komplementäres Paar bilden immer eine warme und eine kalte Farbe. Beide Kontraste erzeugen Spannung im Bild.
So wie er zuvor in der Lithographie die Farben übereinander druckt, werden in den Werken die Papierstücke übereinandergeklebt. Sie bilden meist scheinbar geometrische Flächen, die einander überschneiden. Ihre Kanten werden mit dem Messer geschnitten oder unglaublich fein gerissen. Im Atelier des Künstlers finden sich ordentlich neben einander aufgereiht Skalpelle und Messer - ganz wie auf dem Instrumententisch eines Chirurgen. Wie Paul Bright jedoch die gerissenen Konturlinien, die sich hin und wieder über mehrere Papiere hinziehen, bewerkstelligt, bleibt für uns ein Geheimnis. Der im wahrsten Sinne des Wortes gestaltete Umriss lässt dem Zufall keinen Raum. Der Künstler spielt Schicksal, gibt die Fäden nicht aus der Hand.

Kehren wir für einen Augenblick zurück zu unserem Ausgangspunkt, dem Kompositionsmittelpunkt, also dem Etikett oder Billett. Bei näherer Betrachtung stellen wir fest, dass die Fläche, die dieses Fundstück eingenommen hätte, ergänzt wird durch andere Fundstücke. Es handelt sich also nicht um eine schlichte Überlagerung der Papiere, sondern sie überlagern sich so, dass sie immer die vorgegebene Fläche vervollständigen. Folgt man nun den Kanten und Umrissen, so wird das Auge in die Bildtiefe geleitet. Die überlappenden Flächen sind tatsächlich Ebenen, die in verschiedener Bildtiefe platziert sind und sich deshalb für den Betrachter überschneiden. Jede dieser Überlagerungen der Ebenen hat der Künstler für uns mit einem andersartigen Papier markiert. Auch hiermit bekennt sich Paul Bright zum Konstruktivismus, speziell dem eines Kandinsky. Dieser kennzeichnete solche Überschneidungen in seiner Malerei mit derselben Farbe einige Töne tiefer, so dass der Eindruck entsteht, die Farbflächen wären durchsichtig. Paul Bright verwendet seinerseits ein anders-farbiges undurchsichtiges Papier, womit er einen weiteren Schritt zur Abstraktion vollzieht. Was Kandinsky an manchen Stellen im Bild einsetzt, wird bei Paul Bright Bild-füllend angewandt. Der bereits erwähnte Kalt-Warm-Kontrast gibt den Ebenen im Bild eine spezielle Note: Für uns drängen kalte Farben in den Bildhintergrund und warme in den Vordergrund. Wenn nun zum Beispiel ein blaugrünes Papier über ein rostrotes geklebt ist, kann es deshalb sein, dass die blaugrüne Farbebene in der Bildtiefe hinter die rostrote zurückspringt.
Die Ebenen ziehen in jedem Falle unseren Blick in die Tiefe, dennoch kehrt unser Auge immer wieder zurück an die Bildoberfläche - denn wir werden immer wieder von den Buchstaben angezogen. Obgleich ihnen keine Bedeutung beigemessen werden soll, greift Paul Bright in der Betitelung oftmals auf die Wortfetzen zurück, die nach dem Beschneiden des Billets zurückbleiben. Sie sind vielleicht auch ein bisschen als Erinnerungen an seine zahlreichen Reisen und Europaaufenthalte zu verstehen.

Paul Bright wurde 1962 in Cleveland, Ohio, geboren. Dort wuchs er auf, bis er zum Graphikdesignstudium und dem Studium der bildenden Künste nach South Carolina übersiedelte. 1998 zog er in den Nachbarstaat Georgia. Er hat dort unter anderem mehrere Ausstellungsräume des Augusta Museum of History, dem Stadtmuseum von Augusta, gestaltet. Seit 2004 lebt und arbeit er in Winston-Salem, North Carolina. Er ist als Kurator des Universitätseigenen Museums tätig.
Seit 1989 hat Paul Bright regelmäßig in den USA und Kanada in Einzel- und Gruppenausstellungen sein Werk gezeigt. 1991 gewann er den ersten Preis des "Salon de L'abstraction de Montreal" in Quebec. Im Jahr darauf waren seine Collagen das erste Mal in Europa, in der Schweizer Galerie Nikolaus Knöll, zu sehen. 1994 und 2002 gewann er Stipendien in den USA und Kanada.

In Paul Brights Schmetterlingsnetz finden sich durchdachte Werke, die auf Ideen des Dada und des Konstruktivismus fußen. Die Resultate der Analyse sind eine Zusammenführung verschiedener Leitgedanken des frühen zwanzigsten Jahrhunderts. Paul Bright filtert für sich heraus, was er für wichtig hält und entwickelt daraus Collagen mit einem hohen Maß an Ästhetik. Die Technik der Collage, das ist sicher, ist bei Paul Bright in guten Händen.
Dieses Jahr ist sein Werk gleich in zwei europäischen Ländern, in England und in Deutschland, zu sehen.





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