Kunstverein Germersheim / Zeughaus Germersheim
aa_blank
Sandra Heinz, Edith Urban und Cora Volz: "Maria und Marie"
Malerei, Skulptur, Objekte
05.05.12 bis 27.05.12
Kunstverein Germersheim
Cora Volz

Vernissage am 05.05.12 um 17.00 Uhr
Begrüßung: Marita Mattheck, 1. Vorsitzende des Kunstvereins und Marcus Schaile, Bürgermeister der Stadt Germersheim
Einführung: Ulrich Meyer-Husmann, Kurator der Ausstellung

Finissage am 27.05.12 um 17.00 Uhr
Künstlergespräche

Einführung von Ulrich Meyer-Husmann

Die Ausstellung von Sandra Heinz, Edith Urban und Cora Volz ist - wie Sie der Einladungskarte entnehmen können - eine thematische Ausstellung: Maria und Marie. So der ausgedruckte Titel. In einem Konzeptpapier wird zusätzlich ein Untertitel aufgeführt: Frauen, Stimmen, Rollen. Das umreißt in etwa das Thema.

Die drei Künstlerinnen weisen ausdrücklich darauf hin, dass „die beiden Frauenfiguren exemplarisch für viele Frauen und unterschiedliche Vorstellungen von Frau stehen, wie sie in verschiedenen sozialen und historischen Kontexten über Jahrhunderte formuliert worden sind. In Bildern, in religiöser und in weltlicher Literatur, im Drama, in Opernlibretti und heutigen Medien tauchen Frauengestalten auf, die als Verdichtungen weiblicher Rollen auf sich spezifische Eigenschaften, Verhaltensweisen und Reaktionsmuster vereinen, die einerseits zu Leitbildern werden konnten, andererseits zu Klischees verkamen. Maria und Marie markieren daher nur symbolisch zwei kontrapunktische Frauen-Rollen: Maria, die Unschuld, die Heilige, Geistige - und Marie, die Sinnliche, Wollüstige, die Verführerin.
In unterschiedlichen künstlerischen Medien setzen sich die drei Künstlerinnen mit dem Thema auseinander. Cora Volz ist Bildhauerin, von ihr stammen die Skulpturen, die Reliefs und die kleinen Strumpfzeichnungen. Lineare Zeichnungen sind es, deren Linien dadurch entstehen, dass der Stoff der über Polysterolplatten gezogenen Strumpfhosen in den weichen Untergrund gedrückt wird.

Edith Urban ist Malerin, die in ihre Bilder Texte bzw. Textfragmente integriert.
Sandra Heinz schließlich kommt von der Grafik her. Dafür stehen die verschiedenen Materialdrucke, für die sie gerade den Mainzer Stadtdruckerpreis erhalten hat. Daneben finden Sie genähte Zeichnungen, genähte Collagen und Kleider-Objekte, häufig in einem installativen Ansatz.

Die große Bandbreite der künstlerischen Zugriffsweisen macht mit den Reiz dieser Ausstellung aus. Das ist in die Konzeption der Ausstellung eingeflossen. Außerdem natürlich die räumlichen Gegebenheiten dieses außergewöhnlichen Ausstellungsortes, der breite Gang und die seitlichen Kabinette. Für mich ist es wie ein Teilstück einer barocken Parksituation. Eine Figur befindet sich am Ende eines Weges, ist gleichsam der Zielpunkt. Die Kabinette öffnen sich zum Gang und zum jeweilig gegenüberliegenden Kabinett. Zwar ist jedes Kabinett jeweils einer Künstlerin zugeordnet, aber es gibt formale und farbliche Bezüge und Blickachsen, die die verschiedenen Teile der Ausstellung miteinander verklammern.
Farblich spielt Rot eine große Rolle - in den Bildern von Edith Urban und den Arbeiten von Sandra Heinz. Rot steht für Blut, Leben, Vitalität, Leidenschaft, Liebe - andererseits für Verletzung, Tod. Damit verweist es bereits auf inhaltliche Aspekte des Themas.
Ausgangspunkt von Cora Volz sind Porträts junger Frauen von heute. Sie sind in herkömmlicher Weise aus Ton modelliert. Zentrales Motiv ist dabei der Kopf als Büste bzw. Halbfigur. So entstehen in einem ersten Schritt Tonplastiken in großer Nähe zum lebenden Modell. Aber Cora Volz belässt es nicht dabei. Das Ton-Modell wird mit Gips abgenommen und die Gipsabgüsse anschließend fragmentiert. Die so gewonnenen Einzelteile werden gesondert bearbeitet, z.B. geglättet, und um andere Materialien - Speckstein, Textilien, Kunststoffe - ergänzt bzw. durch diese ersetzt, z.B. Augen und Mund. Das ist ein längerer Prozess. Erst danach erfolgt das erneute Zusammenfügen der Teile. Und nun - und das ist das Faszinierende daran - entsteht etwas Neues, das auf Grund der eingesetzten Materialien einen hohen haptischen Reiz hat. Zwar besteht noch der Bezug zur porträtierten jungen Frau, aber die Haltung der Skulptur, die Blickrichtung, die inzwischen geglättete Oberfläche und die fremden Materialien schaffen etwas Überindividuelles, bewirken ein Stück Idealisierung.
Dabei lässt sich eine eigenartige Erfahrung machen. Aus der Ferne betrachtet wirken die Skulpturen recht natürlich, je näher man jedoch kommt, desto mehr nimmt das Künstliche, das Artifizielle zu. Einerseits sind die Figuren absolut präsent, andererseits seltsam entrückt in einer Aura von Unnahbarem und Würdevollem.

Eine gewisse Nähe dazu haben die Collagen von Sandra Heinz aus der Serie "Flémalle". Sie thematisieren in Form von ausgeschnittenen und aufgenähten Gesichtern und Hauben Frauendarstellungen des ausgehenden Mittelalters: Maria, Maria Magdalena und die Heilige Veronika. Ansonsten verzichtet Sandra Heinz auf Personendarstellungen. Sie wählt nur deren Hinterlassenschaften, z.B. getragene Kleidung. Ihr Interesse gilt der Frage: Was verraten diese Kleidungsstücke über die Menschen, die sie einmal getragen haben? Und bei den ausrangierten Kleidungsstücken - Kleider, Blusen, Dessous - hat es ihr in besonderer Weise die Materialität und Stofflichkeit der Dinge angetan. Die Materialdrucke der mit Farbe eingestrichenen Kleider und Dessous verraten das in ihren filigranen Strukturen. Gleichzeitig stellen sie ein Stück Erinnerung dar an die Personen, die die Kleidung einmal getragen haben.

"Erinnerung an C." bezieht sich zwar auf eine bestimmte Person, aber für den Betrachter bleibt sie im Titel anonymisiert. Trotzdem scheinen die abwesenden Personen in den durch Farbe versteiften und damit Skulptur gewordenen Kleidungsstücken irgendwie präsent. Das Abgelegte wird wieder mit Leben gefüllt durch die Art der künstlerischen Bearbeitung bzw. Inszenierung. Zwar gibt es diese Leerstelle, aber gleichzeitig wird ein Stück weit Vergegenwärtigung und Erinnerung geleistet.
Daneben finden Sie noch eingefärbte Kleidungsstücke, verformt zu hängenden Skulpturen, fragil wirkende genähte Zeichnungen auf Gazestoff und Unterwäsche, gipsgestärkt und zu kleinen weißen Reliefs geformt. Transformation als künstlerische Strategie könnte man über alles setzen.

Im Unterschied zu diesen beiden Positionen spielt in der Malerei von Edith Urban das Wort, der Text bzw. das Textfragment eine wesentliche Rolle. Reflexionen, Dialoge, provokative oder auch beschreibende Aussagen aus vornehmlich literarischen Texten werden in meist monochrome Farbflächen eingeschrieben, übermalt, ausgewaschen und erneut eingeschrieben. Häufig sind nur Teile des Textes lesbar, allerdings lässt gerade das Fragmentarische in seiner Offenheit dem Betrachter Raum für ein persönliches Bedeutungsangebot. Er fühlt sich unerwartet angesprochen, unter Umständen getroffen, vielleicht erkennt er sich wieder.
Bei den neueren Bildern erfolgt die Anlage in Streifen, weniger in monochromen Flächen. Kleinere Arbeiten ergänzen die größeren, sie sind auf Holztafeln gemalt und der Text dominiert eher dem Material gegenüber, wird damit als graphisches Element wichtiger.
Die Arbeiten stammen aus mehreren Zyklen, in denen Stimmen verschiedener Frauenfiguren 'hörbar' werden. So entsteht für Edith Urban ein vielstimmiger Chor immer aktueller Gefühls- und Denkmuster: Trauer, Hoffnung, Schmerz, Sehnsucht, Verzweiflung, Hass und Verlangen.

Fragmente aus der "Hamletmaschine" von Heiner Mueller bilden die Basis für eine Serie über Ophelia. Bei Heiner Mueller erfährt die Figur der Ophelia eine diametrale Umdeutung. Statt der klassischen Ophelia, die sich bei Shakespeare nicht der brutalen väterlichen Autorität und Gewalt entziehen kann, wirkt diese Ophelia wie eine Furie, die ihrerseits mit Gewalt ihre eigene Befreiung betreibt und gleichsam zur männlichen Hauptfigur mutiert.

ICH WERFE MEINE KLEIDER IN DAS FEUER GESTERN HABE ICH AUFGEHÖRT MICH ZU TÖTEN

In den verwendeten Fragmenten aus Georg Büchners "Woyzeck" spiegelt sich die unzeitgemäße Schamlosigkeit und andererseits Lebenslust der Marie, aber auch ihre manchmal aufkeimende Reue und Zerknirschtheit:

UND DOCH HABE ICH EINEN SO ROTEN MUND EINEN SO ROTEN MUND WIE DIE GROSSEN MADAMEN
HERRGOTT, SIEH MICH NICHT AN
IMMERZU IMMERZU DREHT EUCH WÄLZT EUCH,
DASS ALLES IN UNZUCHT SICH ÜBEREINANDERWÄLZT.

Alle drei Künstlerinnen reflektieren Frauenrollen - weitab von den in den Medien propagierten Leitbildern. Dabei spielt das Fragmentarische in ihren Werken eine wichtige Rolle. Bei Sandra Heinz stellen die Kleidungsstücke Fragmente eines Lebens dar, bei Edith Urban tauchen die Texte nur als Fragmente auf und bei Cora Volz ist die Fragmentierung der modellierten Person Voraussetzung für das Neu-Zusammensetzen der Teile.
Das Fragment verweist versteckt oder deutlich auf ein nicht (mehr) vorhandenes Ganzes. Überraschend bei dem Thema ist für mich gewesen, dass nur eine - Cora Volz - Frauen direkt darstellt. Sie entwickelt eine neue Ganzheit, die allerdings für uns eigenartig entrückt bleibt durch die Distanz schaffende Aura und damit Unnahbarkeit der Figuren.
Sandra Heinz und Edith Urban gemeinsam ist die Abwesenheit der Person(en), nur die Fragmente sind vorhanden. Edith Urban vertraut dabei auf die evokative Kraft der integrierten Textfragmente in ihrem existenziellen Bezug und Sandra Heinz schafft in den gedruckten und versteiften Kleidungsstücken diese eigenartige abwesende Anwesenheit der Personen.

Insofern sind Sie als Betrachter ganz unterschiedlich gefordert: In dem einen Fall stehen Sie einem neuen Bild von Frau gegenüber, in den beiden anderen müssen Sie auf Grund der Bild/Text-Kombination und andererseits Kleidungsstücke sich selber ein Bild der Frauen entwickeln.


Sandra Heinz
[www.sandra-heinz.com]

1981-1987
  • Studium der bildenden Kunst und Theologie, Universität Siegen, Abschluss 1987

2002-2003
  • Reise- und Studienjahr Neuseeland/Australien/Indonesien/Mexiko

2008-2009
  • Lehraufträge am Lehrstuhl Kunst der Universität Augsburg und der Akademie für bildende Künste München

Kunstpreise:

1998
  • Grafik-Kunstpreis der Stadt Bühl

2000
  • Katalogstipendium des Kulturfonds Mainzer Wirtschaft

2002
  • Projektunterstützung 'moving spaces', Goethe-Institut Wellington, Ministerium für Wissenschaft und Kultur Rheinland-Pfalz

2004
  • Kunstpreis Mainz 05

2008
  • Austauschstipendium Belém/Brasilien

2012/2013
  • Mainzer Stadtdruckerin

Ausstellungen:

2012
  • paperArt, one-woman-show, Grafikmesse Köln

2011
  • Echo der Erinnerung, Kunstverein Bellevue-Saal, Wiesbaden (E)
  • transparente bilderwelten, quadrArt-raum für zeitgenössische Kunst, Dornbirn
  • materials revisited., 10. Triennale für Form und Inhalte, Klingspor Museum, Offenbach und Museum für angewandte Kunst, Frankfurt (K)
  • Grenzgang, Kunsthaus Wiesbaden und BBK-Galerie Mainz
  • fragil, Standort Höchst (zusammen mit Anja Adler)

2010
  • Transformation, Landtag Rheinland-Pfalz, Mainz (E)
  • Druckfest, Kunstverein Reutlingen und Xylon-Museum Schwetzingen
  • bazonnale 02 Afghanistan, Weimar
  • Altar der guten Gedanken, Roncalli-Kapelle, Wiesbaden (E, K)

Edith Urban
[www.edithurban.com]

1974-1981
  • Johannes-Gutenberg-Universität Mainz (Germanistik, Wirtschaftswissenschaften und Philosophie), Abschluss 1981

1975-1981
  • Stipendium der 'Hans-Böckler-Stiftung'

1995-1997
  • Staatliche Hochschule für bildende Künste (Städel), Frankfurt, Klasse Hermann Nitsch
lebt und arbeitet seit 2003 in Rom und Mainz/Wiesbaden


Ausstellungen:

2012
  • beyond the white cube, Colonia 2010, Spinnerei, Leipzig

2010
  • transformation, Galerie im Landtag Rheinland-Pfalz, Mainz (E)

2009
  • Denken-Fuehlen-Sein, Katholische Akademie, Trier (E)
  • the silent space between and around words, Temple Gallery, Rom (E, K )
  • fra le 4 pareti domestiche - BIS, progetto di 8 artisti in una casa vuota, Rom
  • insiemi non disgiunti, galleria la nube di oort, Rom (K)
  • al di là delle parole, galleria studio tiepolo 38, Rom (K, E)

2008
  • fra le 4 pareti domestiche, progetto di 4 artisti in una casa vuota, Rom
  • ampliamento della percezione, galleria studio tiepolo38, Rom
  • leben am ende des lebens, Bellevue-Saal, Wiesbaden

2007
  • psyche says, kommunale Galerie Schlangenbad, Wiesbaden (E)
  • tolleranza/intolleranza, Galleria vagabonda, Lodz, Polen
  • giancarlo sciannella - edith urban, galleria liart, Villa Borghese, Rom (E)

Cora Volz

1985-1996
  • Studium der Bildenden Kunst an der Johannes Gutenberg-Universität Mainz bei Prof. Heinz Hemrich und Prof. Christa Biederbick, Abschluss 1996

1997
  • Vertiefungsstudium/Meisterschülerin


Preise und Stipendien:

1990
  • Förderpreis des Kulturfonds Mainzer Wirtschaft e.V.

1995
  • Förderstipendium der Johannes Gutenberg-Universität

1998
  • Llincoln-Stipendium des Landes Rheinland-Pfalz

1999
  • Emy Röder-Förderpreis, Förderpreis für bildende Kunst der Stadt Mainz

2004
  • Zonta Kunstpreis


Ausstellungen:

2011
  • nature me, Galerie UpArt im Kunstverein Speyer

2010
  • Skulpturenforum Isernhagen

2008
  • Gesellschaft der Freunde Junger Kunst, Baden-Baden
  • Galerie Tammen, Berlin
  • unverzichtbar, Museum Junge Kunst, Frankfurt/Oder

2007
  • 4. Berliner Kunstsalon, Galerie Tammen
  • Galerie UpArt, Neustadt an der Weinstraße

2006
  • Kunstkörperlich - Körperkünstlich, Kunsthalle Osnabrück

2005
  • all about... Berlin 3, Whitebox Kulturfabrik, München
  • Kunstmesse art Karlsruhe,
  • Galerie Tammen, Berlin, art cologne, Köln

2004
  • Basarland, Kunsthaus Wiesbaden
  • Landesvertretung Rheinland-Pfalz in Berlin
  • 5 x 5 Skulpturen am Pfefferberg II, Berlin

Öffnungszeiten:
Sa. von 15.00 bis 18.00 Uhr
So. von 14.00 bis 18.00 Uhr




[zurück]
Kunstverein Germersheim
Cora Volz
Kunstverein Germersheim
Edith Urban
Kunstverein Germersheim
Sandra Heinz