Bezirksverband Pfalz / Museum Pfalzgalerie Kaiserslautern (mpk)
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Sonja Alhäuser: "Endgericht"
Butter- und Neusilberskulpturen, Zeichnungen
05.11.14 bis 15.02.15
mpk
Sonja Alhäuser: "Roxane sieben", 2013, Neusilberguss, 1/6, 36 x 39 x 39 cm, Courtesy Galerie Michael Schultz. Foto: Rosa Lübbe, Berlin, © VG Bild-Kunst, Bonn 2014

Vernissage am 04.11.14 um 19.00 Uhr
Begrüßung: Dr. Britta E. Buhlmann, Direktorin des mpk
Einführung: Dr. Annette Reich, Kuratorin der Ausstellung
Auf den kulinarischen Teil der Vernissage darf man gespannt sein.


Das Museum Pfalzgalerie Kaiserslautern (mpk) zeigt unter dem Titel "Endgericht" Butter- und Neusilberskulpturen sowie Zeichnungen von Sonja Alhäuser, die sie in den letzten fünf Jahren geschaffen hat. Die teilweise eigens für die Präsentation im mpk entstandenen Arbeiten sind als Auftakt zu der umfangreichen Ausstellung ["Apocalypse Now! Visionen von Schrecken und Hoffnung in der Kunst vom Mittelalter bis heute"] (Eröffnung am 21.11.14) im Oberen Foyer des Museums zu sehen.

Sonja Alhäuser modelliert aus Butter bzw. Ziehmargarine barock anmutende Figuren, die sie in Kühlvitrinen präsentiert. "Das kleine Willkommen", 2009 entstanden oder "Lehnendes Hallo" aus dem Jahre 2010, zeigt jeweils einen überdimensionalen Putto, der, umgeben von kleineren Engelsfiguren, eingezwängt an die Grenzen seiner Behausung stößt. Der transparente Kühlraum hält gefangen und bietet zugleich lebenserhaltenden Schutz.

Prunkvolle Tafelaufsätze, wie sie bei üppigen Banketten am Hofe Ludwigs XIV., des "Sonnenkönigs", zum Einsatz kamen, inspirierten Alhäuser zu ganz eigenen Kreationen. Ihre in Neusilber gegossenen Skulpturen füllt die Künstlerin mit allerlei Esswaren, die zum Verzehr einladen. So ist beispielsweise der mit Dreizack und Füllhorn ausgestattete Meeresgott "Neptun" mit Garnelen bestückt. Das Schweinchen "Roxane" bietet Salamischeiben feil und die "Kräuterfee" mit nacktem Oberkörper hält Grünzeug bereit. "Siegfried on Top", ein Hahn mit weit aufgerissenem Schnabel und aufgeregt ausgebreiteten Flügeln, ist mit Fleischspießchen gespickt. Bei vielen Völkern gilt der Hahn als Sonnen- und Feuersymbol. Auch steht er in Verbindung mit dem anbrechenden Tag und deshalb für die Überwindung der Finsternis durch das Licht. Im christlichen Verständnis ist er ein Auferstehungssymbol und ein Symbol für die Wiederkunft Christi am Jüngsten Tag. Somit reflektiert die Arbeit das Apokalypse-Thema unter durchaus ambivalenten Gesichtspunkten.

Beschwören die zwischen 2009 und 2014 entstandenen Götterstatuen, Amoretten und Tierfiguren ein Endzeitszenario herauf oder führen sie in ihrer sinnlichen Opulenz überschwänglichen Genuss vor Augen? Sehen wir uns mit sinnlich-ästhetischen Gebilden oder mit Verkörperungen existenzieller Befindlichkeiten der Gegenwart konfrontiert? Auch das zeichnerische Œuvre von Sonja Alhäuser handelt von sinnlichem Erleben und entfaltet in einem ungeheuren Detailreichtum fantastische Bildwelten, die vom Werden und Vergehen, von Leben und Tod künden.

Mit ihren Kunstwerken und Aktionen, die mit dem Thema Essen in Verbindung stehen, bewegt sich Sonja Alhäuser durchaus in einer kunstgeschichtlichen Tradition. Denn die Verwendung von Lebensmitteln als künstlerische Materialien ist nicht neu. So denkt man unweigerlich an Joseph Beuys und seine berühmte "Fettecke" (übrigens ebenfalls aus Butter) oder an die Aktions- und Objektkünstler der Eat-Art in den 1960er-Jahren Daniel Spoerri und Dieter Roth. Während Wolfgang Laib in seinen "Reishäusern" ein Grundnahrungsmittel aufgreift, geht beispielsweise Marina Abramovic in ihren Performances, etwa beim Verzehr von Nahrungsmitteln, bis an die Grenzen körperlicher Erträglichkeit. Alhäuser legt jedoch Wert auf einen "genussvollen Verzehr und die damit zusammenhängende Transformation des Kunstwerkes", wie die Künstlerin selbst formuliert: "Der Ablauf, das Anbieten von Essbarem und sein Verschwinden am Ende, wo sich nur noch eine Idee in den Köpfen herauskristallisiert, ist mir wichtig. Diese trägt sich anders weiter, als wenn man sie über Arbeiten transportierte, welche lediglich betrachtet werden können." In diesem Sinne findet sich der Betrachter als Akteur in einer Welt zwischen Tragik und Komik wieder, in der er selbst Teil des Werdens und Vergehens ist. Ausgelassene Lebensfreude oder nahendes Unheil? Hoffnung oder Untergang? Der doppeldeutige Titel "Endgericht" unterstreicht die ambivalente Botschaft.

Sonja Alhäuser wurde 1969 in Kirchen/Westerwald geboren. Von 1989 bis 1997 studierte sie an der Kunstakademie Düsseldorf; seit 1995 als Meisterschülerin bei Prof. Fritz Schwegler. Im Jahr 2000 erhielt sie die Förderpreise der Stadt Düsseldorf und des Landes Nordrhein-Westfalen. 2006 war Alhäuser Stipendiatin des Künstlerhauses Schloss Balmoral in Bad Ems. Von 2007 bis 2009 hatte sie einen Lehrauftrag für Malerei an der Hochschule für Bildende Künste Braunschweig inne. Heute lebt und arbeitet die Künstlerin in Berlin.




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Sonja Alhäuser: "Roxane sieben", 2013, Neusilberguss, 1/6, 36 x 39 x 39 cm, Courtesy Galerie Michael Schultz. Foto: Rosa Lübbe, Berlin, © VG Bild-Kunst, Bonn 2014