Papier hat es Gabriele Domay angetan. Für sie hat dieser Werkstoff eine dingliche Präsenz, die auch dem Rezipienten unmittelbar einsichtig ist. Zugleich schafft dieser Werkstoff Distanz. Es handelt sich dabei nämlich nicht um ein Naturmaterial, sondern um eines, das in komplizierten Verfahren ursprünglich aus Pflanzenfasern hergestellt wurde, die durch Verfilzen, Verleimen und Pressen die glatte Oberfläche erhielten, die notwendig war, um darauf zu schreiben, zu zeichnen, zu malen und zu drucken.

Besonders wertvolle Büttenpapiere verwendet die Künstlerin für ihre Radierungen, Papierbahnen und Bodenelemente. In diesen Arbeiten vollzieht sich ihre Auseinandersetzung mit der sichtbaren Welt. Ähnlich wie der Italiener Morandi ist sie bei den Stilleben und den Landschaften dem Eigentlichen auf der Spur. In einer ganzen Serie setzt sich Gabriele Domay mit diesen Sujets auseinander. Die Stadt London übte auf sie deshalb einen besonderen Reiz aus, weil sie ihrer Vorliebe für Grautöne entgegenkommt. Diese Arbeiten führen zu Ergebnissen, die wir meinen entziffern zu können. Auch in den Landschaftsdarstellungen sind die zugrundeliegenden Elemente noch lesbar im Spannungsfeld zwischen Gewordenem und Gebautem. Im Bildraum ereignet sich das, was wir als ein Netz von Wegen oder Flächen der Felder wiedererkennen. Das Ganze wirkt wie eine ferne kleine Welt, deren Kräfte und Gegenkräfte sich in einer gelassenen Ordnung darbieten. Man kennt ihren Plan nicht, glaubt aber, dass auf die sinnliche Wahrnehmung eine intellektuelle Verarbeitung gefolgt sein muss, auch hier also eine Bipolarität, die man mit den Begriffspaaren Farbe und Linie, Fläche und Raum, Hell und Dunkel, Gefühle und Gedanken umschreiben möchte.

Barbara Bechtel